Die erste Mobilstation im Mirker Quartier | Mobilitätswende anpacken

Vor circa 140 Jahren wurde das erste Automobil gebaut. Der Startschuss für ein revolutionäres Jahrhundert, das die Welt unabdingbar schrumpfte – eine mobile Utopie wurde wahr, die in den letzten Jahrzehnten jedoch ins Wanken kam. Heute ist die notwendige Mobilitätswende in aller Munde, doch mangelt es zu oft an grundlegenden infrastrukturellen Veränderungen, die diesen Wandel auch möglich machen. Am Dienstag, dem 29.11.2022, wurde die erste Mobilstation im Mirker Quartier auf der Wiesenstraße eröffnet. Damit wurde mithilfe von langer Planung und Konzeption ein weiterer physischer Schritt in Richtung Mobilitätswende gewagt.

Knapp 60 Personen versammelten sich an diesem Morgen vor der jüngst fertiggestellten ersten Mobilstation im Mirker Quartier unweit der zweiten Fahrradstraße Wuppertals [Link Fahrradstraße] und den ersten Lastenradgeschäft im Tal [Link Artikel Supercargo]. Nur knapp ein Jahr nach dem Start des Projekts „Mobilstation im Quartier“ [Link Artikel Q:M], das von einem Zusammenschluss von Mitarbeitenden der »Neuen Effizienz«, dem »Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.«, dem »Wuppertal Institut« und der »Bergische Universität Wuppertal« durchgeführt wurde, ist dieser erste Meilenstein, unter aktiven Einbezug der Anwohner*innen, durch finanzielle Mittel des Landes NRW vollendet. Im Rahmen einer forschenden Begleitung soll die Mobilstation zukünftig Nutzer*innendaten liefern, die im Rahmen einer Handlungsempfehlung für die Elberfelder Innenstadt zusammengeführt werden und als Grundlage zukünftiger Projekte fungieren soll. Durch die Realisierung der Mobilstation haben sechs Lastenräder und zwölf normale Fahrräder ein sicheres Obdach gefunden. Des Weiteren stehen außerhalb dessen drei weitere Cambio-Stellplätze und fünf Fahrradständer zur Verfügung. Die Einweihung wurde von Oliver Krischer, dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW und weiteren Lokalpolitiker*innen durchgeführt.

Doch dieser Artikel soll keine bloße Wiederspiegelung der Eröffnung sein. Vielmehr soll er das Phänomen der Mobilität, ihre gesellschaftliche Verhandlung und somit auch den langen Weg, der noch folgen muss, in den Blick nehmen. Denn klar ist: Mobilitätswende ist Handarbeit!

Mobilität beschreibt die (geistige und) physische Möglichkeit der Bewegung von Lebewesen. Wir alle sind auf unterschiedliche Arten mobil und bewegen uns durch unsere Leben – physisch in Räumen und gleichzeitig immer auch sozial innerhalb gesellschaftlicher Gefüge. Als gesellschaftliche Wesen ist unsere Mobilität daher auch ein soziales Phänomen, das von den materiellen, also den stofflichen Grundlagen unseres Zusammenlebens bestimmt wird. Mobilität ist somit immer auch politisch und in gesellschaftliche Machtdynamiken verstrickt.

Der Grad unserer Mobilität ist in einem ständigen Wandel und bestimmt zu großen Teilen, wie wir uns innerhalb einer Gesellschaft entfalten können. Vor dem Auto war das Fuhrwerk, davor bewegten wir uns zu Fuß oder auf Reittieren durch die Welt. Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir, dass die real gewordene Utopie des Autos mit einem inhärenten Manko enhergeht. Denn die Schrumpfung der Welt bedarf ihre endlichen Ressourcen. Zum einen, weil jedes Auto, ob es sich bewegt oder nicht, einen Raum einnimmt, der vorher in öffentlicher Hand war. Zum anderen, weil Autos unweigerlich Energie bedürfen, um sich fortzubewegen. Solange das perpetuum mobile ein Widerspruch in sich verbleibt, wird sich daran auch nichts ändern. Es ist daher an uns, unsere (gesellschaftliche) Mobilität zu hinterfragen und sie auf gerechte Weise an die weltlichen Grenzen und unsere Bedürfnisse anzupassen – es bedarf einer Mobilitätswende.

Dieses Anliegen lediglich auf der ideellen Ebene zu belassen, ist zu kurz gedacht. Der Wandel unserer Mobilität als soziales und politisches Phänomen lässt sich nicht bloß in Diskursen verhandeln. Vielmehr bedarf es materieller Veränderungen, die eine andere Mobilität überhaupt erst real möglich machen. Ein Blick zu den benachbarten Nationen macht dies deutlich: Amsterdam und Kopenhagen sind keine Fahrradstädte, weil die Menschen dort anders denken. Sie sind Fahrradstädte, weil die Gestaltung der Städte und Verkehrswege das Fahrrad und öffentliche Fortbewegungsmittel bewusst bevorzugen. Es bedarf politischer Maßnahmen, die die physische Infrastruktur der Mobilität auf die Mobilitätswende vorbereiten: mit Verboten (etwa in Bezug auf Tempolimits, eingeschränkte Parkräume, etc.), weiteren Mobilstationen und Anreizen für eine andere Mobilität. Der Wandel kommt dann ganz alleine. Die erste Mobilstation im Quartier zeigt dies als Paradebeispiel. Schon vor dem Bau waren bereits alle Stellplätze belegt und reserviert – die Nachfrage ist da.

In diesem Sinne symbolisiert die Mobilstation in der Wiesenstraße einen ersten Schritt in eine Zukunft, die von einer anderen Mobilität gezeichnet ist. Sie allein verbleibt aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es liegt an uns, sie zu duplizieren, sie zu vervielfachen und zu einem Netz verwachsen zu lassen. Dass dieser Prozess in erster Linie durch das Engagement der Zivilgesellschaft geschehen wird, ist ziemlich selbstverständlich und trotz alledem Ausdruck des Unwillens vieler politischer Akteur*innen. Die Prämisse verbleibt daher nach wie vor, den Wandel diskursiv immer wieder zu adressieren und auf die Ungerechtigkeit bestehender Mobilität aufmerksam zu machen – z.B im Rahmen des Forum:Mirke. Für eine Mobilität, die gleiches Grundrecht für alle darstellt, keine*n mehr ausschließt und im Rahmen planetarer Grenzen funktionieren kann.

Weitere Informationen zum Projekt findest du unter folgendem Link [Mobilstationen im Quartier: Homepage].

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