Stadtentwicklungssalon | Zukunftsflächen des Quartiers
In Stadtentwicklungsprozessen wird oftmals über Zweck und Gestaltung zu entwickelnder Flächen gesprochen. Grund dafür sind zu meist eindeutige Eigentumsverhältnisse, die es Eigentümer*innen erlauben, die Prozesse der Planung mit eigenen Ressourcen, und somit nach eigenen Interessen zu gestalten. Was aber passiert, wenn diese Prozesse weitere zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit einschließen? Welcher Mehrwert kann aus derartigen Prozessen entstehen und wo liegen potenzielle Hürden? Diese Fragen sind fundamental. Denn sie entscheiden darüber, wem die Stadt eigentlich gehört, beziehungsweise wie wir mit geteilten Räumen umgehen wollen. Der Stadtentwicklungssalon, am Donnerstag, den 29.06. widmete sich deshalb der Gestaltung potenzieller Entwicklungsprozesse im Hinblick auf zwei Flächen, deren Zukunft für das Quartier von großer Bedeutung sein kann: das Süd-Ost-Areal an der Nordbahntrasse und die Diakonie-/Kreuzkirche.
Rund 30 Interessierte kamen der Einladung des Forum:Mirke (F:M) in die Gathedrale der Alten Feuerwache nach und wurden von Christian Hampe empfangen. Als Mitglied des Organisationsteams des F:M und Geschäftsführer der Utopiastadt gGmbH führte er in die Veranstaltung ein und stellte die Thematik des Abends vor: Wie können Stadtentwicklungsprozesse gestaltet werden, um möglichst viele Menschen zu erreichen und somit Ergebnisse zu erzielen, die möglichst vielen Anwohner*innen zugutekommen? Ziel des Abends war es, für zwei allseits bekannte Flächen im Quartier Szenarien zu entwerfen, die sich dem Prozess der Entwicklung der Flächen unter realitätsnahen Bedingungen widmen. Diese Szenarien sollen schlussendlich vom F:M aufgearbeitet werden und als Handreichung für die bisherigen Eigentümer*innen der Flächen fungieren. Darüber hinaus sollen die Szenarien auch als Lernprozess für die zukünftigen Vorhaben des F:M dienen. Bevor die Teilnehmer*innen sich den Arbeitsgruppen widmeten, stellten Sven Macdonald, Abteilungsleiter der Stadtentwicklung in der Stadtverwaltung Wuppertal, und Dr. Sabine Federmann, Diakoniedirektorin in Wuppertal, die konkreten Rahmenpunkte der beiden Flächen vor.
Vor wenigen Wochen gab die Stadtverwaltung bekannt, dass sie vom Vorkaufsrecht für das Süd-Ost-Areal zwischen Nordbahntrasse und Mirker Straße, neben dem Utopiastadt Campus Gebrauch macht, und es somit vor weiterer Spekulation schützt. Damit wurde ein Prozess angestoßen, den die Stadt Wuppertal lange nicht mehr vollzogen hat. Die Fläche ist etwa 10.000qm groß und umfasst den Vorplatz des ehemaligen Bahnhof Mirke, den Treppenaufgang bei Utopiastadt, die Scheer Hallen, die danebenliegende Böschung, anliegende Kleingärten und Teile der Freifläche nördlich der Nordbahntrasse. Die Stadtverwaltung befindet sich derzeit noch in den Anfängen der Planung. Insbesondere die direkte Anbindung an die Nordbahntrasse, die zentrale Position in Verbindung mit der Elberfelder Innenstadt, die Nachbarschaft mit Utopiastadt und die Beschaffenheit des Areals charakterisieren die Fläche und damit einhergehende eventuelle Nutzungen. Etwa im gleichen Zeitraum der Inanspruchnahme des Vorverkaufsrechts, gab die Diakonie bekannt, dass sie aktuell auf der Suche nach potenziellen Käufer*innen für die Kreuzkirche sind. Nachdem in der Vergangenheit die Ambitionen der „Initiative Kreuzkirche e.V.“ (quartier-mirke.de) aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten scheiterten, ist die Zukunft des Areals nun wieder ungewiss. Die denkmalgeschützte Kirche und der umliegende Garten fassen ca. 400qm und sind 2006 an die Diakonie Wuppertal übertragen worden. Seitdem diente die Kirche als Veranstaltungsraum und Essensausgabestelle der Wuppertaler Tafel. Im Zuge der Verkaufsambitionen wurde in letzter Vergangenheit die Entwidmung der Kirche beantragt. Grund für den Verkauf sind unter anderem die enormen Instandhaltungskosten, die sich jährlich auf ca. 50.000€ belaufen. Um weitere Kosten zu vermeiden, will die Diakonie Wuppertal die Kirche zeitnah verkaufen, um die Gelder für andere Projekte aufzuwenden. Insbesondere die Symbolwirkung der Kirche, ihre Lage im Zentrum der Fahrradstraße Friedrichstraße und die damit einhergehende zentrumsnahe Lage machen die Fläche besonders wichtig für das Quartier.
Der Vorstellung der Flächen folgte ein Vortrag von Mona Gennies. Die Bauassessorin und Referentin für Gemeinwohl der „Montag Stiftung Urbane Räume“ zeigte neben realen Beispielen für die Gestaltung von Stadtentwicklungsprozessen auch auf, warum es überhaupt wichtig ist, die Stadtgesellschaft mit einzubinden: Partizipation ist ein zentrales Element demokratischer Gesellschaften, die sich eben dadurch auszeichnen, dass Menschen kollektiv Entscheidungen treffen. Sie stärkt die Gemeinschaft, hilft dabei, Nutzungen zu entwickeln, die sich an realen Bedarfen orientieren und schafft Akzeptanz. Wir alle kennen das Phänomen des Elfenbeinturms und wissen auch, dass es uns nicht weiter bringen. Gemeinsam Entscheidungen zu treffen, gleicht außerdem einer Manifestation von lokalem Wissen, schließlich sind wir als Bewohner*innen des Quartiers Expert*innen unserer Bedürfnisse. Zuletzt führte Gennies auch den Punkt an, dass das Denken außerhalb herkömmlicher Prozesse Raum für neue Ideen und Lösungen schafft.
Wie aber können Prozesse gestaltet werden, die Partizipation als zentrales Element verstehen? Wie Gennies anführte, müssen wir bei dieser Frage nicht von neuem beginnen. Denn zahlreiche Prozesse greifen bereits auf Partizipation als Schlüsselelement zurück. So etwa hiesige Konzeptverfahren, die Akteur*innen dazu einladen, Nutzungskonzepte für Gebäude zu entwickeln. Ein vorab ausgewähltes Gremium entscheidet dann letztlich nach Machbarkeitsprüfungen über die Vergabe – ähnlich wie etwa die Bürger*innenbeteiligung der Stadt Wuppertal. Ein anderes Modell stellt das Reallabor dar: Im Rahmen dessen werden potenzielle Nutzungen einfach für einen gewissen Zeitraum ausprobiert und somit nicht nur erfahrbar, sondern auch erhebbar – ein renommiertes Modell in der Wissenschaft. Partizipation kann allerdings auch ganz klassisch über einen runden Tisch organisiert werden, an dem verschiedenen Akteur*innen mit diversen Hintergründen und Fähigkeiten sich auf Augenhöhe austauschen.
Nach diesen intensiven Vorträgen und Impulsen wurde der Stadtentwicklungssalon zu einer experimentellen Werkstatt. In vier Arbeitsgruppen kamen die Teilnehmer*innen an verschiedenen Tischen zusammen und widmeten sich großen leeren Papieren, die von einem roten Zeitstrahl durchtrennt wurden. Anhand dieser Linie wurden dann Szenarien entworfen, die sich der Gestaltung der Prozesse der vorgestellten Areale widmeten. Dabei wurden z.B. diese Fragen aufgeworfen: Ist es sinnvoll, die Beteiligung der Anwohner*innen erst zu ermöglichen, nachdem Investor*innen das Gebäude bereits erworben haben? Wie intensiv sollten Bedarfe der Stadtgesellschaft ermittelt werden, bevor Projekte zum Verkauf angeboten werden? Sollten Flächeninhaber*innen bereits vor dem Verkauf Bedarfe ermitteln und den Verkauf an bestimmte Zwecke binden? Wie können Bedarfe überhaupt sinnvoll abgefragt werden?
Im Grunde ist Partizipation in der Stadtentwicklung keine Zauberei. Sie braucht allerdings eine andere Aufmerksamkeit für die Prozesse und vor allem eine Menge Ressourcen – sowohl finanziell als auch zeitlich – und das ist auf vielen Ebenen relevant. Zum einen setzt es einen endlichen Rahmen, in dem Stadtentwicklungsprozesse sich entfalten können. Wenn Eigentümer*innen die Flächen zeitnah verkaufen wollen, können Partizipation und Orientierung an den Bedürfnissen des Quartiers darunter leiden. Zum anderen sind gerade Partizipationsprozesse oftmals dazu verdammt, auf ehrenamtlichem Engagement zu basieren. Auch wenn einzelne Akteur*innen durch Förderprogramme vielleicht finanziell für ihre Arbeit entlohnt werden können, bleibt die Möglichkeit der breiten Beteiligung schlussendlich eine Frage des Geldes und der Muße – egal wie intensiv die Nachbar*innenschaft vorab über die Vorhaben informiert oder zur Mitgestaltung eingeladen wird. Wie kann man dieser Zwickmühle entgehen, ohne gängige Ausschlüsse zu reproduzieren und Kompromisse einzugehen? Außerdem ist die Aufmerksamkeit bei der Gestaltung von Prozessen auch auf die Entscheidungsfähigkeit zu richten. Kleine ausgewählte Gruppen können vielleicht einfacher Entscheidungen treffen, aber schaffen sie es tatsächlich auch die diversen Bedarfe des Quartiers abzubilden? Wer entscheidet darüber, wer Teil dieser ausgewählten Gruppen ist? Und stehen die Entscheidungen der Gruppen generell zur Debatte? Schlussendlich bleibt damit auch die Frage zentral, wie Bedarfe des Quartiers überhaupt abgefragt werden können. Zusammenschlüsse, wie das Forum:Mirke bürgen einen großen Erfahrungsschatz in Bezug auf Stadtentwicklung. Aber auch hier zeigt sich, dass das symbolische Aufstellen von Türen nicht ausreicht, um tatsächliche Diversität abzubilden. Wie soll mit diesem Umstand verfahren werden?
Fragen über Fragen, deren Antworten für die Zukunft von Quartieren, wie dem unseren, zentral sind – weil sie darüber entscheiden, wie wir wohnen werden und vor allem mit wem. Es wäre also nur sinnvoll, wenn wir die Fragen gemeinsam beantworten und dabei möglichst viele Lebensrealitäten und Bedürfnisse miteinbeziehen. Vielleicht kann ein partizipativer Prozess mithilfe kollektiver Antworten die Kreuzkirche und das Süd-Ost-Areal davor bewahren, lediglich den Interessen weniger dienlich zu sein. Wir freuen uns in jedem Fall auf den Prozess und hoffen, dass die Ergebnisse des Abends ihre Anwendung finden!
Sobald die konkreten Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammengefasst wurden, werden wir sie an dieser Stelle veröffentlichen.
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