Auflösung des Initiative Kreuzkirche e.V | Im Interview mit Holger Kreft und Andreas von Thienen
Die Diakoniekirche ist ein unabdingbarer Teil des Quartier Mirke. Mit ihrer zentralen Lage mitten auf der neu entstehenden „Fahrradstraße Friedrichstraße“ und dem umliegenden »Inselgarten«, ist sie nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Hier fanden in den vergangenen vier Jahren zahlreiche außerkirchliche Kunst- und Kulturveranstaltungen, Netzwerktreffen und Forschungsprojekte einen Raum der Möglichkeiten. Doch das wird wahrscheinlich in diesem Umfang vorerst ein Ende haben. Der Verein »Initiative Kreuzkirche e.V.«, der diese Nutzungsmöglichkeiten eröffnete, hat bekannt gegeben, dass er sich auflöst. Wir haben uns mit dem ehemaligen Vorsitzenden Holger Kreft und den ehemaligen Schatzmeister Andreas von Thienen getroffen, um mehr über die letzten Jahre und die Auflösung zu erfahren.
Holger Kreft ist der ehemalige Vorsitzende des »Initiative Kreuzkirche e.V.«. Als ambitionierter Projektentwickler für Transformation im urbanen Raum wirkte er unter anderen bei der Etablierung des Lernorts Wuppertals mit und sitzt im Vorstand des »Freiwirtschaftlichen Jugendverband Deutschland e.V.«. Seine Leidenschaft widmet er der Konzeptionierung und Etablierung von diversen Möglichkeitsräumen in der Stadt. Andreas von Thienen ist der ehemalige Schatzmeister des »Initiative Kreuzkirche e.V.«. Er ist direkter Nachbar der Kirche und engagiert sich außerdem in der »Initiative gemeinschaftliches Wohnen in Wuppertal« und der Arbeitsgruppe »Mobile Mirke«. Er selbst hat sich zum Ziel gesetzt die Gegensätze, die das Quartier beherrschen, aufzuzeigen und durch bürgerschaftliches Engagement ein Teil zu dessen Auflösung beizutragen.
Die heutige Diakoniekirche – frühere Kreuzkirche – ist die älteste Kirche in der Elberfelder Nordstadt. Nachdem sie im Jahre 1850 eingeweiht wurde, diente sie rund 150 Jahre dem kirchlichen Dienst, bis sie im Jahre 2006 in die Verantwortung der Diakonie überging. Seit 2010 wird die Kirche von der Wuppertaler Stadtmission belebt. Es findet mehrmals wöchentlich eine Essensausgabe statt, die Kirche bleibt nach wie vor Raum für Hilfe, Rückzug und Geselligkeit. Im umliegenden »Inselgarten« sprüht die Natur, dank der ehrenamtlichen Arbeit von Nachbar*innen, vor Leben. Ein Ort zum Wohlfühlen, Hoffen und Lebenlassen. Als die Diakonie dann 2017 bekannt gab, dass sie wegen der hohen Erhaltungs- und Nebenkosten den Betrieb des Gebäudes nicht mehr leisten wolle, gründete sich die »Initiative Kreuzkirche« (IKK). Ein Zusammenschluss aus Ehrenamtlichen, Anwohner*innen und engagierten Interessierten, die sich in den kommenden Jahren mit der Entwicklung und Etablierung eines langfristigen Nutzungskonzepts der Kirche beschäftigten. In ihrer ersten Aktion als Initiative, informierten die Engagierten gemeinsam mit weiteren Akteur*innen aus dem Quartier die Öffentlichkeit, woraufhin die Diakonie zunächst den Verkaufsbeschluss des Kirchengebäudes aussetzte und so vorerst eine weitere Finanzierung der Unterhaltungskosten sicherte. Im zweiten Schritt versuchte die Initiative den Kauf des Kirchengebäudes und des benachbarten alten Pfarrhauses und des Gemeindehauses über Mittel aus der Städtebauförderung zu ermöglichen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch daran, dass die Diakonie eine Veräußerung von Pfarr- und Gemeindehaus ablehnte, sodass eine Quersubventionierung des Kirchengebäudes nicht möglich war.
Knapp ein halbes Jahr später gründete sich dann der »Initiative Kreuzkirche e.V.«. Ein langfristiges Nutzungskonzept sollte einen Möglichkeitsraum im Quartier etablieren, der in seinem Dasein über das Quartier hinaus leuchten könnte. Dabei schlossen sie sich dem bisherigen Engagement im Kirchengebäude durch die Initiative »Inselgarten« und das bestehende Programm der Wuppertaler Stadtmission an, und erweiterten es darüberhinaus. Ganz konkret veränderte die Initiative das Innere der Diakoniekirche um die Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern und die Kirche somit auch neuen Zwecken zuführen zu können. Hier wurde Raum für interkulturelle und interdisziplinäre Begegnung im Quartier geschaffen, die zur Umsetzung verschiedenster Veranstaltungsformate, Gruppentreffen, Kulturformate etc. einlud. Während Andreas bereits seit Gründung der Initiative Teil des Vorhabens war, kam Holger erst einige Monate später hinzu. Ihn interessierte besonders der Spagat zwischen dem offenen, prozesshaftigen Vorgehen der Initiative und der Erfüllung der konkreten Anliegen der Diakonie und der Stadtmission. Die größte Hürde des Vereins blieb jedoch die Erarbeitung einer nachhaltigen Finanzierungsmöglichkeit der Kirche – doch dazu später mehr.
Die Errungenschaften der Initiative sind zum Großteil von symbolischem Charakter und lassen sich weniger im Sinne eines materiellen Mehrwerts festhalten. Ausnahmen sind in diesem Fall die Lichtkunst an der Außenfassade, die Bänke im Inselgarten und die Erneuerung des Fußbodens. Allem voran stand aber die Entwicklung des offenen Nutzungskonzepts, das durch die Arbeit der Initiative praktische Umsetzung fand. Ganz konkret zeigte sich diese Praxis in der Öffnung des Raumes für andere Initiativen und Projekte. Zwar fanden bereits vor der Etablierung der Initiative Veranstaltungen in dem Gebäude statt, die Initiative setzte sich jedoch zum Ziel dieses Vorhaben aktiv zu betreuen und den Ort somit bewusst zu beleben. Dabei spielte auch die Rahmung der nicht-kirchlichen Initiative eine Rolle in der Auswahl der Programmatik und schaffte somit einen offenen Raum, dem in der Vergangenheit aufgrund seines religiösen Hintergrunds teilweise gewisse Praktiken entnommen wurden. In diesem Sinne nahmen sich die Aktiven dem langfristigen Versuch der „Dekonstruktion„ des Symbols der Kirche an. Der hier entwickelte Raum sollte sich nicht einer einzelnen Religion widmen, sondern die Kirche zu einem überkonfessionellen Ort transformieren, der sich keiner spezifischen Religion oder Spiritualität zuordnet. So fanden auch einige bauliche Veränderungen statt, die den Raum ganz bildlich für alle öffnen sollten. Gerne hätte die Initiative Kreuzkirche neben der Entfernung der Kirchenbänke und dem Verlegen eines Neuen Fußbodens weitere bauliche Maßnahmen vorgenommen, die dem Kirchenschiff zu weitaus flexibleren Nutzungsmöglichkeiten verholfen hätte. Aufgrund des Denkmalschutzes und den daraus hervorgehenden hohen Umsetzungskosten, konnten die Engagierten der Initiative dieses Vorhaben vor der Auflösung nicht umsetzen.
Apropos: Auflösung der Initiative. Vorab muss festgehalten werden, dass in diesem Sinne nicht von wirklichem Scheitern gesprochen werden kann. Viel mehr haben die Mitglieder der Initiative feststellen müssen, dass sie ihre einst selbstauferlegten Konzepte, nicht in der vorgegebenen Konstellation und unter gegebenen Rahmenpunkten umsetzen konnten. Trotz alledem öffneten sie den Raum in den vergangenen vier Jahren für verschiedene Menschen und zeigten so exemplarisch wie ein altes Kirchengebäude vielfältig belebt werden kann. Damit trugen sie einen essenziellen Teil zur Entwicklung des Quartiers bei, der jedoch im Prozess verblieb und nicht in seiner endgültigen Etablierung endete. So öffneten sie evtl. Raum für eine zukünftige Nutzung, der dieses Vorhaben unter anderen Bedingungen oder mit veränderten Anliegen gelingt. Holger und Andreas reflektieren, dass sie während der letzten Jahre so sehr im Prozess der Findung und fortwährenden Konzeption der Idee verblieben, dass gewisse Vorhaben nach hinten gerückt und letztendlich nicht umgesetzt werden konnten. Der Spagat zwischen den Anliegen der beteiligten Institutionen stellte sich schlussendlich als unüberwindbar heraus. Er äußerte sich sowohl in unterschiedlichen Blickweisen in Bezug auf die künftige Entwicklung der Kirche, die Etablierung des Möglichkeitsraums, die Art und Weise wie die Kooperation von statten gehen soll und die Herangehensweise an Themen der Quartiersentwicklung. In diesem Sinne spielen die unterschiedliche Verfügbarkeit von Ressourcen der beteiligten Akteure ebenso eine Rolle.
Selbstverständlich wird die Auflösung der Initiative nicht spurlos am Quartier vorbeigehen. Welche Konsequenzen daraus hervorgehen ist konkret noch nicht abzusehen. Holger und Andreas sind jedoch der Meinung, dass die Diakoniekirche in Zukunft weitaus stärker als Angebot der direkten Hilfe wahrgenommen wird, und weniger als Ort, der weitreichende strukturverändernde Prozesse lostritt. Diese Sparten lassen sich gegenseitig nicht aufwiegen und haben beide ihre Daseinsberechtigung. Mit Perspektive auf einen Ort, der beide Zielsetzungen langfristig jedoch miteinander verbindet, und darüber hinaus einen weitaus größeren Effekt auf Menschen und Quartier mit sich bringen könnte, erscheint die Auflösung der Initiative jedoch unmittelbar als Verlust für das Quartier. Die Aktiven der Gruppe, die bis zum Ende übrig blieben, werden sich in Zukunft in viele einzelne Projekte im Quartier und darüber hinaus verstreuen. Letztendlich war aber die Zeit, in der sie die Initiative gründete und dessen Idee vorantrieb, keine verlorene. Zum einen erlebte die Diakoniekirche in der vergangenen Jahren ein Hoch des bürgerschaftlichen Engagements, und zum anderen betrachten Andreas und Holger ihre ehrenamtliche Arbeit als andauernden Lernprozess.
Schlussendlich bleibt zu bemerken, dass der Erfolg eines solchen Projekts sich nicht in materiellen Gütern und dessen Prognostizierbarkeit messen lässt. Quartiersentwicklung ist, wie auch Sozialarbeit, eine Investition in die Zukunft der Menschen die davon profitieren und sich selbst dadurch neue Perspektiven eröffnen können. Sie ist somit auf einer anderen sozialen Ebene profitabel – nicht auf einer materiellen. Eine Träne verdrückend blicken wir zurück auf die vergangenen 4 Jahre und bedanken uns im Namen des Quartiers für das andauernde Engagement der Beteiligten. Auf das sie noch viele weitere Projekte im Quartier bereichern, und die Diakoniekirche auch in Zukunft ein Ort des Quartiers verbleibt. Falls du dich rückwirkend noch einmal über die Arbeit der Initiative informieren möchtest, schau doch hier auf ihrer Homepage [Homepage] vorbei!