Hebebühne goes Offline 21/22 #4 | Maria Seitz mit »Multicolor Refill«

Die Hebebühne gilt seit 2009 als feste Ausstellungsinstitution im Quartier Mirke. In den Wintermonaten sind die Innenräume des Kunstvereins, beherbergt in einer ungeheizten, früheren Tankstelle, jedoch für den normalen Ausstellungsbetrieb kaum nutzbar. Die Außenflächen des Gebäudes sowie die von außen einsehbaren Räume mit teilweise großen Fensterflächen bieten aber großzügige Installations- und Projektionsflächen, welche auch in der kalten Jahreszeit ausgezeichnet genutzt werden sollen, um künstlerischen Vorhaben Raum zu geben. Die Hebebühne geht deshalb Offline. Vier ausgewählte Kunstschaffende bekommen in diesem Rahmen die Möglichkeit, die Hebebühne für je einen Monat als künstlerisches Objekt zu interpretieren und inszenieren. Nach Martha My Dear von Lisa Sinan Mrozinski und Paul Ole Janns, folgt nun die letzte Installation Multicolor Refill der Künstlerin Maria Seitz.

Maria Seitz und Multicolor Refill | Foto von Wolf Sondermann

Maria Seitz ist in Bamberg geboren und arbeitet inzwischen als freischaffende Künstlerin in der Domstadt Köln. Wenn sie nicht in ihrem Atelier im Quartier am Hafen aktiv ist, ist sie Lehrbeauftragte der Hochschule der Bildendenden Künste Saar. An der gleichen Hochschule absolvierte sie 2018 ihr Meisterschüler*innenjahr bei Katharina Hinsberg, nachdem sie 2016 ihr Diplom in Freier Kunst ablegte. In ihren künstlerischen Arbeiten bewegt sich Seitz in einem Spektrum zwischen Zeichnung und Installation. Die Linie als erster Akt spielt dabei sowohl auf dem Papier als auch im Raum eine essenzielle Rolle. In ihren Arbeiten experimentiert sie mit der Materialität, der Wiederholung und der Form der Linie und lässt so abstrakt anmutende Werke im mehrdimensionalen Raum entstehen. Die Installation Multicolor Refill stellt in diesem Sinne keine Ausnahme dar.

Die eigens für die Hebebühne entwickelte Installation Multicolor Refill basiert auf einer Buntstiftzeichnung. Wie bereits andere Teile der Serie Multicolor entsteht das Werk durch das Ziehen einzelner, paralleler, eng aneinander verlaufender Linien mit einem mehrfarbigen Buntstift. Ein Werkzeug, das viele eher aus der Bastelkiste kennen und nur selten einen explizit nicht ironischen Einsatz in der Kunst findet. Doch in diesem Fall ist der Stift der Ursprung des Werkes und somit zugleich auch Material und Grundbestandteil des Konzepts. Durch die Handhabe des mehrfarbigen Buntstifts entstehen aus leichten Drehungen und Wendungen vielfarbige Linien, die durch ihre Imperfektion und Veränderbarkeit gezeichnet sind. In multipler Ausführung entsteht so ein fadenartiger Vorhang aus Linien, die in ihrer Gänze zu einem willkürlichen Verlauf verkommen. Im Rahmen von Multicolor Refill wurde die gesamte Glasfront mit durchleuchtender Folie abgedeckt, die von Hunderten, wenn nicht gar Tausenden einzelner vielfarbiger Linien überzogen ist. Aus der Ferne wirken sie in ihrer Konstellation wie großflächige Farbverläufe, doch aus der Nähe offenbaren sie ihre wahre Gestalt – Linien über Linien, Farben über Farben. In den Abendstunden wird die Installation von hinten beleuchtet, um den kalten und grauen Winternächten etwas Farbe entgegenzustellen.

im Aufbau | Foto von Wolf Sondermann

Die Installation ist also weit mehr als eine bloße Ansammlung farbiger Linien. Sie ist eine Arbeit, in der die Wechselwirkungen von Differenz und Wiederholung thematisiert wird. Für Seitz sind insbesondere Phänomene der (Farb-)Veränderung und Abweichung interessant. Ihre Arbeit kann als die Visualisierung dieser Abweichung verstanden werden, die nicht nur das Offenbarte und Geplante hervorhebt, sondern ebenso das Spontane und Versteckte sichtbar macht. Diese hervorgebrachte Differenz eröffnet sich den Betrachtenden im Akt des Hinblickens. Durch die Beschäftigung mit Seitz Arbeit werden vielschichtige und differente Aspekte sichtbar, die dem schnelllebigen Betrachten vorenthalten sind. Somit kann Multicolor Refill auch als Einladung verstanden werden. Als Einladung dafür, einen genaueren und analytischen Blick zu riskieren und sich der unergründlichen Differenz hinzugeben – aus ihr könnten andere Perspektiven auf die Welt entspringen, die differenten Modi des Betrachtens unterliegen.

Die Installation Multicolor Refill der Künstlerin Maria Seitz ist noch bis Ende Februar zu besuchen. Damit findet eine weitere Ausgabe von Offline ein Ende. Offline wird durch Neustart Kultur und den bergischen Kulturfond gefördert. Weitere Infos zur Hebebühne gibt es hier [Homepage | Facebook | Instagram].

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