Hebebühne goes Offline 21/22 #3 | Lisa Sinan Mronzinski und Paul Ole Janns mit »Martha My Dear«

Die Hebebühne gilt seit 2009 als feste Ausstellungsinstitution im Quartier Mirke. In den Wintermonaten sind die Innenräume des Kunstvereins, beherbergt in einer ungeheizten, früheren Tankstelle, jedoch für den normalen Ausstellungsbetrieb kaum nutzbar. Die Außenflächen des Gebäudes sowie die von außen einsehbaren Räume mit teilweise großen Fensterflächen bieten aber großzügige Installations- und Projektionsflächen, welche auch in der kalten Jahreszeit ausgezeichnet genutzt werden sollen, um künstlerischen Vorhaben Raum zu geben. Die Hebebühne geht deshalb Offline. Vier ausgewählte Kunstschaffende bekommen in diesem Rahmen die Möglichkeit, die Hebebühne für je einen Monat als künstlerisches Objekt zu interpretieren und inszenieren. Nach hier nicht hier von Dagmar Lutz und Beate Gördes, folgt nun die Installation Martha My Dear der beiden Kunstschaffenden Lisa Sinan Mrozinski und Paul Ole Janns.

Paul Ole Janns und Lisa Sinan Mrozinski | Foto von Wolf Sondermann

Lisa Sinan Mrozinski ist gebürtige Wuppertalerin. Ihr künstlerisches Schaffen ist unweigerlich mit dessen konkreter Verortung und Materialität verbunden. So fügen sich ihre Installationen auf eine spielerische Art und Weise in Räume ein und schaffen Orte der Reinterpretation. Neben der plastischen Arbeit ergänzt Sinan ihre Installationen um Zeichnungen und Skizzierungen. Paul Ole Janns ist in Peine geboren. In seiner Malerei greift er mit Mut zur Farbe und schafft Szenerien, die den Betrachter*innen zwar teils absurde Einblicke gewähren, aber niemals eine Geschichte aufbinden. Wie auch die Objekte, die Janns Händen entspringen, tragen seine Arbeiten allesamt eine ironische Note in sich. Lisa Sinan Mrozinski und Paul Ole Janns lernten sich im Rahmen ihres Studiums an der Hochschule für Künste Bremen (HfK) kennen. In unterschiedlichen Jahrgängen absolvierten sie, nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Diplom, außerdem ihr Meisterschüler*innenjahr bei Heike Kathi Barath. Während ihres Studiums arbeiten sie bereits in einigen Ausstellungen zusammen, helfen und ergänzen sich gegenseitig. Martha My Dear in der Hebebühne ist nun bereits die zweite offizielle Installation, die Sinan und Janns gemeinsam konzipiert, erarbeitet und umgesetzt haben

Martha my Dear ist ein Song der Beatles, in dem Paul McCartney 1968 seinen Bobtail Martha besingt. Das mag im ersten Moment recht einfallslos klingen, offenbart aber, welche Bedeutung der Hund als „bester Freund des Menschen“ in sich trägt. Hunde sind weit mehr als die besungene Muse Paul McCartneys – sie sind verkörperte Popkultur des Westens und damit ein kulturspezifisches Relikt der menschlichen Geschichte.

Hundeskulpturen und Nelkenwiese | Foto von Wolf Sondermann

Doch blickt mensch auf eine Vielzahl von Hunden, so wird recht schnell deutlich, dass sie in ihrer Gruppierung sich selbst indifferente Wesen sind. Kein anderes Tier scheint so verschieden und doch so gleich. Vor allem aber gibt es kaum ein Wesen im menschlichen Alltag, das so enorm von der Vorstellung seiner Beschaffenheit geprägt ist, wie der Hund. Deshalb ist er immer auch die verkörperte lebendige Idee des menschlichen Bedürfnisses. Dieser Logik des Schaffens eines Wesens für ein anderes, bedient sich Paul Ole Janns auch im Schaffensprozess seiner eigenen Hundefiguren. In gewisser Weise züchtet der Mensch sich seinen Hund nach seinen eigenen Bedürfnissen, so wie Janns seine Hunde nach seiner eigenen Vorstellung erschafft. Angefangen hat diese Obsession mit einem sehr langen Dackel, der eines seiner Bilder komplettieren sollte. Seitdem baut er Hunde in diversen Größen, Formen und Materialien – ganz nach seinen Bedürfnissen. So wurden auch die ausgestellten Hunde in der Hebebühne spezifisch für diesen Anlass gebaut. Letztendlich offenbart Janns mit den Skulpturen eine gewisse inhärente Kritik der menschlichen Vereinnahmung und bedient sich der Logik eines kulturspezifischen Phänomens auf künstlerisch-ironische Weise.

Die Hundeskulpturen Janns nehmen für den nächsten Monat im Schaufenster der Hebebühne ihren Platz ein. Umgeben werden sie von den installatorischen Arbeiten Sinans, die sowohl die baulichen Gegebenheiten als auch die Hunde miteinander verbinden und somit für eine gewisse Atmosphäre sorgen. Dazu kommen z.B. zahlreiche künstliche Nelken aus früheren Zeiten des Pina Bausch Tanztheaters zum Einsatz, die sowohl den Kunstrasen rund um die Hunde, als auch den gesamten Schottervorplatz der Hebebühne säumen. Die lebendigen Stellvertreter*innen von Janns Skulpturen nehmen die Blumen mit Freude an und markieren sie als ihr Territorium. Einige der Innenwände der Hebebühne wurden außerdem mit Backsteintapete verhangen. Die Hundeskulpturen und das installatorische Raumdesign werden letztendlich durch eine dritte Komponente erweitert: Auf der Tür der ehemaligen Wagenhalle ist ein Trickfilm zu sehen, der aus der Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule im südafrikanischen Durban entstand. Darauf ist eine der Hundeskulpturen in einer ähnlichen Kulisse von Sinan zu sehen. Die Hundeskulptur sitzt auf einer Blumenwiese und schlackert mit den langen Ohren.

Der Artikel wird diese Konstellation nicht in einen Kontext setzen. Ganz im Sinne der Künstler*innen sollen die Betrachter*innen sich ihre eigene Geschichte, mögliche Beweggründe hinter der Konstellation und Installation als Ganzes erschaffen. Sinan und Janns eröffnen dafür lediglich den Raum, in dem sie ein Sammelsurium aus verschiedenen Eindrücken, Impulsen und Impressionen darbieten. Demnach folgen ihre Werke keiner herkömmlichen Linearität, sondern einer kuratierten Wirrheit.

Wenn der Schotterplatz nur Blumenwiese wird | Foto von Wolf Sondermann

Die Installation Martha My Dear von Lisa Sinan Mrozinski und Paul Ole Janns ist noch bis Ende Januar zu besuchen. Anschließend folgt die künstlerische Interpretation durch Maria Seitz (Januar/Februar). Offline wird durch Neustart Kultur und den bergischen Kulturfond gefördert. Weitere Infos zur Hebebühne gibt es hier [Homepage | FacebookInstagram].

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