Wenn „Der Berg Liest“ | nachbarschaftliche Kulturaktion in der Nordstadt
Am kommenden Sonntag, dem 29. September öffnet die Nordstadt erneut ihr Wohnzimmer. Während begeisterte Besucher*innen und Lesefreunde einen Abstecher in die Nordstadt wagen, öffnen Anwohner*innen ihre privaten vier Wände und geben ihre liebsten Texte zum Besten. Es ist wieder Zeit für „Der Berg liest„. An über 76 Orten in der gesamten Nordstadt finden knapp 200 Lesungen auf verschiedensten Sprachen statt. Eine Möglichkeit das Viertel auf eine ganz besondere Art und Weise kennenzulernen – für Neulinge genauso wie für Alteingesessene. Zu diesem Anlass habe ich mir vorab mit den Organisatoren Uwe Peter und Steven März getroffen um ein wenig mehr über die Beweggründe der nachbarschaftlichen Veranstaltung zu erfahren.
Uwe arbeitet und lebt auf dem Ölberg. Als Grafiker und Veranstalter organisiert er unter anderem die „bergische Velo“ und „Der Berg liest“. Außerdem ist er Mitglied im „Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.“. Steven ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wuppertal Institut und rutschte über Mobilitätsthemen in den „Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.“. Seit diesem Jahr kümmert er sich gemeinsam mit Uwe um die Organisation des „Der Berg liest“.
„Der Berg liest“ findet in diesem Jahr zum 5. mal statt. Seit 10 Jahren verwandelt sich die Nordstadt im zweijährigen Turnus in ein gemütliches Lesefestival, dass dazu einlädt die unbekannten Ecken des Viertels kennenzulernen und aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
Als die Veranstaltung 2011 das erste Mal stattfand, entsprang das Konzept einer recht spontan erarbeiteten Idee – mit Wirkung. Im Gegensatz zum Lesefestival findet das „Ölbergfest“ in jedem geraden Jahr statt. Ursprünglich als nachbarschaftliches Wohnzimmer auf die Straße stellen und das sommerliche Leben im Viertel genießen, ist es inzwischen zu einem der größten Wuppertaler Straßenfeste herangewachsen. „Der Berg liest“ hingegen, lädt die Anwohner*innen der Nordstadt im Rahmen des herbstlich anmutenden Wetters ein die eigene Wohnung für Interessierte zu öffnen. Anwohner*innen schaffen sich innerhalb ihres eigenen Raums eine Bühne für Themen die sie bewegen – ob lustig, atmosphärisch, laut, rau, oder auch ganz leise. Dadurch werden den Besucher*innen ganz besondere Einblicke in das individuelle Leben innerhalb der Nordstadt erlaubt. Kleine Ecken werden belebt zwischen Treppenhäusern, Hinterhöfen, Balkonen, Gärten, Keller, Dachböden, Kirchtürmen und den Gründerzeit Altbauten. Menschen begegnen sich in privaten Räumen einfach auf eine andere Art und Weise.
Dabei verändert sich sowohl das Dargebotene als auch die Darbietenden immer wieder. Ein harter Kern mit Kultstatus bleibt hingegen. Während zum Beginn der Veranstaltungsreihe noch wesentlich mehr private Räume geöffnet wurden – Uwe nennt sie „Wohnzimmerlesungen“ – öffnen heute immer mehr Lokalitäten, Geschäfte und Kultureinrichtungen ihre Türen. So zum Beispiel die Autowerkstatt in der Sattlerstraße in der vor zwei Jahren Shakespeare gelesen wurde. Hier trifft Kultur auf gelebtes Leben – auf Alltag. Die Grundschule Marienstraße nutzt seit geraumer Zeit sowohl das „Ölbergfest“ als auch „Der Berg liest“ als Schulfest. Hier finden am Sonntag über 20 Lesungen in den Räumlichkeiten der Schule statt. Dabei lesen sowohl Kinder ihre Lieblingstexte, als auch Lehrer*innen. Und das unter anderem auch auf arabisch. In diesem Jahr werden insgesamt knapp 200 Lesungen an 76 verschiedenen Orten zwischen zehn und vierundzwanzig Uhr zum besten geboten.
Die Nordstadt wird im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe, hingegen der Wahrnehmung vieler Wuppertaler*innen, über die Grenzen den Hochstraße hinaus gedacht. Sowohl auf dem Ölberg als auch im Quartier Mirke wird es Lesungen geben. Dabei ist es besonders auffällig, dass innerhalb des Mirker Quartiers wesentlich weniger Lesungen angeboten werden als auf dem Ölberg. Uwe und Steven würden das gerne ändern, benötigen dafür aber nach eigener Aussage die Hilfe einer Akteurs in der Mirke. In diesen Jahr werden im Mirker Quartier unter anderem Lesungen im „WE ARE KIOSK“, dem Kulturkinderkarten, der Friedhofskirche als auch in der Realschule Helmholtzstraße stattfinden. Die weiteren Veranstaltungsorte findest du hier. Das Programm mit allen Lesungen findest du hier.
Auf die Frage welche Lesungen Uwe und Steven in den letzten Jahren besonders in Erinnerung geblieben sind antworten sie nach einem kurzen Insichgehen. Uwe erinnert sich an eine Lesungen bei einem Herrn auf dem Ölberg. Nur für das Lesefestival schrieb er einen humoristischen Text über den Ausgang der Fußballweltmeischerschaft 2014 – und hatte recht! Außerdem erzählt er von einer Lesung einer Frau die auf der Oscar-Hoffman-Treppe, ab Einbruch der Dunkelheit für zwei bis drei Stunden, „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ las. Atmosphärischer hatte er die Treppe noch nie erleben dürfen. Steven, der erst seit kurzem Teil der Veranstaltung ist, erzählt von einer Lesung im Annawäldchen aus „Das geheime Leben der Bäume“. Eine Vorlesung mitten in einem Park sieht man auch nicht alle Tage. Außerdem bewegte Steven die Lesung bei dem Bestatter Kirschbau vor zwei Jahren. Vater und Sohn lasen dort Selbstgeschriebenes und humoristische Gedichte mit tiefen Einblicken in das persönliche Leben. Uwe wird auch in diesem Jahr wieder in sein Wohnzimmer einladen und „Sandokan – die Rückkehr der Tiger von Malaysia“ von Paco i ll Taibo lesen.
Uwe und Steven betonen, dass du dich als Besucher*in unbedingt trauen solltest in private Wohnungen zu gehen. Die Anwohner*innen bzw. Lesenden freuen sich über jeden Interessierten. Falls ihr nach diesem kurzen Einblick Lust bekommen habt euch „Der Berg liest“ zu Gemüte zu führen, dass seid ihr hiermit herzlichst eingeladen, dass am Sonntag zu tun. Seid so lieb und lasst eure Autos zu Hause stehen. Nehmt die öffentliche Verkehrsmittel, schwingt euch aufs Rad oder nehmt die Füße in die Hand. Das vermiedene Verkehrschaos und die Umwelt sagt „Danke“!
Wenn du Teil der Veranstaltung 2021 werden willst, solltest du dich entweder in den Newsletter des „Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.“ eintragen, oder auf der Homepage/Facebookseite der Nordstadt vorbeischauen. Die Anmeldung beginnen meist ab Juni. Die Veranstaltung wird außerdem fotografisch begleitet. Aus den Fotos wird ein Kalendar zusammengestellt den man für unterstützende 10 Euro in vielen Lokalen und Geschäften in der Nordstadt erwerben kann. Lasst uns gemeinsam ein bisschen mehr Lesen – für die Nachbarschaft und die Kultur!
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