Restaurant DAY 2023 | Brücken aus Musik und Essen
»Uptown Culture« ist ein Projekt des Sinfonieorchesters Wuppertal das Brücken baut und Hürden überwindet. Wer bis dato noch keine Aufführung des Wuppertaler Sinfonieorchesters hören durfte, der*die bewegt sich höchstwahrscheinlich nicht in den Gefilden der klassischen Musikszene Wuppertals – das ist nicht gerade ungewöhnlich. Denn die Muße für klassische Musik ist bis heute nur wenigen Menschen vorbehalten, die zumeist mit dieser Musik aufwuchsen, und vor allem das Geld haben, sich dieser hinzugeben. Umso wertvoller sind Projekte, wie »Uptown Culture«. Wir haben uns anlässlich des Restaurant Days 2023 mit Clara Weise und David J. Becher, Projektleitung von »Uptown Culture« zusammengesetzt und sie über den Tag hinweg zu Utopiastadt und zum Autonomen Zentrum begleitet.
Die fünfundzwanzigjährige gebürtige Dresdnerin Clara Weise ist Studierende der Mandoline und Vorstandsbeisitzende des „Förderverein Utopiastadt e.V.“. Gemeinsam mit David J. Becher teilt sie sich die Projektleitung des Förderprojekts »Uptown Culture« des Sinfonieorchester Wuppertal. Der fünfundvierzigjährige David J. Becher ist gebürtiger Wuppertaler. Wenn er nicht gerade als Teil des Vollplaybacktheaters (VPT) über die Bühnen des Landes tourt engagiert er sich als Vorstandsvorsitzender des „Förderverein Utopiastadt e.V.“.
»Uptown Culture« setzt sich zum Ziel, das Sinfonieorchester mit der Stadtgesellschaft in einen aktiven und kreativen Austauschprozess mit Fokus auf die Elberfelder Nordstadt zu bringen. Clara und David haben die Leitung des Projekts nach etwa der Hälfte der Projektlaufzeit übernommen und brachten das Sinfonieorchester nun auch wieder in das Quartier Mirke. Die beiden nennen die Nordstadt schon seit geraumer Zeit ihr Zuhause und engagieren sich hier in verschiedenen Konstellationen und an verschiedenen Stellen. Mit »Uptown Culture« knüpfen sie an bereits existierenden Orten in der Talstadt an und ergänzen diese durch Kooperationen mit dem Sinfonieorchester. Laut David sind die Musiker*innen des Sinfonieorchesters auch ohne die Veranstaltungen, die sie organisieren, bereits gut ausgelastet. Umso mehr freuen Clara und David sich, dass sich einzelne Musiker*innen für zum Teil unkonventionelle Projekte begeistern lassen und sie zu Freuden aller Besucher*innen wahrnehmen. Darunter z.B. eine Kooperation mit dem Von der Heydt-Museum, im Rahmen dessen Teilnehmer*innen von Workshops sich mit der Illustration und Verbildlichung von Musik des Sinfonieorchesters auseinandersetzten. Aber auch eine Kooperation mit der Wupperwerft, im Rahmen dessen Kinder und Jugendliche aus dem Quartier an Film- und Tontechnik herangeführt wurden und Videobeiträge erarbeiteten, in denen Musiker*innen des Sinfonieorchesters an ungewöhnlichen Orten des Quartiers interviewt wurden und musizierten. In der zweiten Jahreshälfte steht außerdem ein weiteres großes Projekt vor der Türe. Dazu aber erst mehr bei gegebenem Anlass!
Der Restaurant Day bringt in Wuppertal bereits seit geraumer Zeit Menschen über simple Wege zusammen. Wir alle müssen essen und genießen es, ein duftendes und mundendes Menü serviert zu bekommen. Einem gemeinsamen Essen liegt das Potential inne, Grenzen zu überschreiten und sich für kurze Zeit den Gemeinsamkeiten zu widmen. Ebenso wie der Musik. Das Projekt »Uptown Culture« nutzte den diesjährigen Restaurant Day, um die Kombination von Essen und Musik zu entfalten.
Der diesjährige Restaurant Day brachte dadurch zwei weitere etablierte Orte in Wuppertal auf die Karte: Utopiastadt und das Autonomen Zentrum (AZ). Im Gegensatz zu vielen anderen Quartieren in Wuppertal spielte der Restaurant Day hier bisher nur eine kleine Rolle. Zwar öffneten vereinzelt auch Bewohner*innen des Quartiers und Lokale ihre Türen, um Besucher*innen zu bekochen, doch wirklich etabliert war die Veranstaltung bisher noch nicht. Mit den Veranstaltungen von „Uptown Culture“ sollte sich das nun ändern – der Plan ging auf.
Am Samstag Nachmittag versammelten sich rund 30 Erwachsene und Kinder im ehemaligen Wartesaal dritter Klasse in Utopiastadt. Sie waren gekommen, um den Klängen klassischer Musik zu lauschen. Für Clara und David ein Heimspiel, denn diesen Ort nennen sie ihr Zuhause. Für sie ist es keine enorme Hürde die Räume an diesem Tag zu öffnen und Kultur einziehen zu lassen. Die Konstellation der Veranstaltung ist daher letztendlich als ein Produkt des Aktionismus der Utopist*innen und der Möglichkeiten des Sinfonieorchesters zu verstehen. So fand sich in Absprache mit dem Sinfonieorchester ein Trio, bestehend aus Eva Högel (Violine), Matthias Neumann (Viola) und Nicola Hammer (Fagott), zusammen, das die Inszenierung eines Kinderbuches musikalisch aufführte und durch die lesende Stimme von David J. Becher selbst ergänzt wurde. Zahlreiche Kinder verließen anschließend die Räumlichkeiten mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, das von Vorfreude auf selbst gebackene und duftende Waffeln gezeichnet war.
Nur wenige Stunden später öffnete das AZ seine eiserne Tür und lud in Kooperation mit »Uptown Culture« im Rahmen der „Candlelight KüfA“ auch das Sinfonieorchester ein. KüfA steht für „Küche für Alle“: Ein Konzept aus der Hausbesetzer*innenszene der 60er/70er Jahre, im Rahmen dessen ehrenamtlich gerettete und zugekaufte Lebensmittel verkocht und anschließend als vegane Speisen gegen Spende verteilt werden. An diesem Abend stand Gemüselasagne auf dem Menü, die mit Kuchen und Muffins zum Nachtisch abgerundet wurde. Der Kerzenschein der Teelichter, die in Einmachgläsern flackerten, wurde von einem originellem Bühnenprogramm begleitet. Ein Streichtrio des Sinfonieorchesters gab eine Zusammenstellung diverser Stücke aus verschiedeneren Epochen zum Besten. Darunter neben Eva Högel (Violine) auch Anne-Sophie Bodenkamp (Violine) und Flóra Blahunka (Violoncello), zwei Akademist*innen des Wuppertaler Sinfonieorchesters, die während ihres Studiums die Möglichkeit bekommen, sich auf den großen Bühnen und eben auch der des Autonomen Zentrums auszuprobieren. Das ca. 40-minütige Programm wurde von David J. Becher ergänzt, der passend zur ungewöhnlichen Begegnung aus einem satirischen Buch über Instrumente und dem Benimmbuch „Takt und Ton“ von 1907 vorlas. Schließlich sollte den Besucher*innen eröffnet werden, wie sie sich in Speiselokalen mit Musikbegleitung zu verhalten haben.
In der „Candlelight KüfA“ materialisiert sich die plakative Begegnung von zwei sehr lange währenden Institutionen des Tals, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Diese kurios anmutende Konstellation aus vorgelesenem Benimmbuch, Kerzenschein, gemeinsam Essen, linksradikalen Autonomen Zentrum und doch eher konservativem Sinfonieorchester geht zu Freunden von David und Clara auf. Damit zeigt der Abend auch, wie wichtig die Vielfalt der Wuppertaler Kulturlandschaft ist. Durch solche Begegnungen, durch diese geteilten ersten Male für alle Beteiligten, wird das Potential geteilter Aktionen deutlich. Die Begeisterung der Besucher*innen, der Musiker*innen, Organisator*innen, Köch*innen und ehrenamtlichen Helfer*innen spricht für sich!
Der diesjährige Restaurant Day im Quartier hat für einen Tag wahrhaftig Welten verbunden – zumindest kurzfristig. Tatsächlich aber war es nicht der spezifische Tag, sondern der Zusammenschluss von Vielen, die gemeinsam ein Projekt realisiert haben. Was einmal war, kann wieder werden. Wir hoffen auf viele weitere Begegnungen im Quartier, die auf den ersten Blick ungewöhnliche und skurril wirken, sich schlussendlich aber wesentlich reibungsloser gestalten, als zuvor gedacht! Weitere Informationen zum Sinfonieorchester Wuppertal [HOMEPAGE], zum Autonomen Zentrum [HOMEPAGE] und zu Utopiastadt [HOMEPAGE] findest du hier.