Mirker Schrauba | Über 10 Jahre schmutzige Hände für die Mobilitätswende

Einige Menschen legen wöchentlich hunderte Kilometer auf ihrem Fahrrad zurück, andere nutzen es nur für den Weg zur Arbeit und einige saßen noch nie auf einem. Besonders in Wuppertal spielt das Fahrrad bis dato eine eher unwesentlichere Rolle als in vergleichbaren Großstädten der Bundesrepublik – aber es tut sich etwas. Spätesten seit der Eröffnung der Nordbahntrasse folgten weitere Ausbauten benachbarter Trassen und vergleichsweise kürzlich wurde die zweite Fahrradstraße Wuppertals im Quartier eröffnet. Seit Jahren bildet sich somit auch eine Fahrradszene in Wuppertal, die spätestens am ersten Freitag des Monats im Rahmen der „Critical Mass“ zeigt, was in ihr steckt. Egal, wie sehr Menschen auf ihr motorisiertes Vierrad schwören: Das Fahrrad scheint früher oder später auch Wuppertal zu erobern. Die „Mirker Schrauba“ tragen dazu einen großen Teil bei – ein loses Kollektiv von begeisterten Fahrradliebhaber*innen, die seit Jahren am ersten Sonntag des Monats das Fahrradreparatur-Café im Quartier veranstalten. Wir haben uns an einem regnerischen Sonntag mit Gründungsmitglied Enzo getroffen, um mehr über das Engagement der Mirker Schrauba und die Vision dahinter zu erfahren.

Die Liebe zum Fahrrad ist der Talstadt inzwischen nicht mehr allzu fremd. Während einige Wuppertaler*innen nach wie vor an dem Mantra festklammern, dass Wuppertal keine Fahrradstadt sei, schwingen sich andere einfach auf das Rad und genießen den Fahrtwind. Die Eröffnung der Nordbahntrasse ist dafür ein maßgeblicher Meilenstein gewesen und der Ausbau der zweiten Fahrradstraße Wuppertals auf der (Neuen) Friedrichstraße bestätigt wohl die Regel. Viele Fahrräder heißt wiederum aber auch viele potenzielle Pannen und Platten, und hier kommen die Mirker Schrauba ins Spiel.

Die Mirker Schrauba gibt es bereits seit über einer Dekade. Was einst als loser Zusammenschluss fahrradbegeisterter Wuppertaler*innen begann, ist inzwischen eine echte Institution im Quartier geworden. Sie fanden sich Anfang der 2010er Jahre beim jährlichen Fahrrad-Reparaturtreff im Bioladen „Stilbruch“ auf der Wiesenstraße zusammen. Hier reifte die Idee, das gemeinsame Hobby zu einem monatlichen Angebot werden zu lassen und über private Kontakte gelangten die Gründungsmitglieder der Mirker Schrauba in den Kontext Utopiastadts. Vor über 10 Jahren, am 05. Mai 2013, fand dann das erste Reparaturcafé statt. Seitdem haben sie zahlreiche Umzüge mitgemacht und ihr Lager momentan in einem umgebauten Hochseecontainer zwischen der Hebebühne und dem UtopiastadtGarten aufgeschlagen. Langfristig wollen sie allerdings wieder einen Standort an der Nordbahntrasse beziehen, denn sie verstehen sich als festen Bestandteil dieses Ortes. Seit Jahren wird ihr Angebot hier herzlichst angenommen und auch die Pandemie oder bescheidene Wetterverhältnisse können daran nichts ändern. Mensch kann wohl sagen: Das Konzept der Mirker Schrauba geht auf!

Aber welches Angebot eigentlich genau? An jedem ersten Sonntag des Monats nehmen zahlreiche Wuppertaler*innen die Expertise des Kollektivs in Anspruch und schrauben unter professioneller Anleitung an ihren Fahrrädern. Hier stellt keine*r sein*ihr kaputtes Fahrrad ab und holt es in zwei Stunden repariert wieder ab. Stattdessen wird gemeinsam mit den Besitzer*innen geschraubt. Hilfe-zur-Selbsthilfe wird hier großgeschrieben. Das schafft nicht nur Selbstwirksamkeit, sondern auch Bewusstsein für die eigene Mobilität. Die Mirker Schrauba verstehen sich daher nicht als kostenlosen Reparaturservice und erst recht nicht als Konkurrenz zu etablierten Fahrradwerkstätten in der Nachbar*innenschaft. Stattdessen wollen sie den Wuppertaler*innen ermöglichen, ein Verständnis für den Organismus des Fahrrads zu entwickeln und in Zukunft kleinere Reparaturen selbst zu realisieren. Denn wer sein Fahrrad kennt, der pflegt es meist auch! Darüber hinaus ist das Reparatur-Café auch ein Angebot, das Menschen ohne gefüllten Geldbeutel die Freude am Pedalieren ermöglicht. Die Fülle an Ersatzteilen, die dafür verwendet werden, entspringen Spenden von Wuppertaler*innen, stammen aus Auflösungen von Fahrradgeschäften oder werden aus irreparablen Rädern ausgeschlachtet. Statt also ständig neue Teile von der Stange zu nehmen, wird bereits gebrauchten ein zweites Leben geschenkt.

Viele der Mitglieder sind neben ihrem ehrenamtlichen Engagement im Quartier auch in zahlreichen weiteren Initiativen aktiv. In der Mirker Schrauba-Gang versammelt sich daher nicht nur ein großer Wissensschatz bzgl. der Funktion von Fahrrädern, sondern auch aktivistische Positionen und Akteur*innen, die Entwicklungen begleiten, die für die längst hinfällige Mobilitätswende notwendig sind. Schließlich ist Fahrradfahren nicht voraussetzungslos. Nur fitte Fahrräder sind Fahrräder, die gefahren werden können. In diesem Sinne schaffen die Schrauba mit ihrem Angebot für viele Wuppertaler*innen auch die materielle Grundlage, die überhaupt ermöglicht, dass Fahrradmobilität in Wuppertal existiert und sich weiterentwickelt. Die Schrauba machen somit auch die Handarbeit, die für die Mobilitätswende notwendig ist. Und diese Arbeit verbindet. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Schrauba mehr sind, als einzelne Fahrradbegeisterte. Über die Jahre hat sich das lose Kollektiv auch zu einem sozialen Zusammenschluss entwickelt, sodass die Schrauba am Wochenende gerne zusammen das Bergische Land auf dem Rad erkunden und die Abende bei kühlem Bier ausklingen lassen. 

Die Mirker Schrauba sind vieles. Vor allem aber sind sie ein Kollektiv, das seit über 10 Jahren aktiv daran mitarbeitet, die Mobilitätswende ganz praktisch voranzutreiben – und zwar für alle! Dafür sind wir dankbar und hoffen, dass die Schrauba auch in 10 Jahren noch so begeistert für ihre Themen brennen. Falls auch ihr euer Fahrrad seit Jahren nichtmehr angerührt habt, weil ihr euch nicht traut, den Platten zu flicken, oder die Bremse einzustellen, könnt ihr an jedem ersten Sonntag des Monats bei dem Reparatur-Café der Mirker Schrauba in der Mirker Straße vorbeikommen. Weitere Informationen findet ihr hier auf Facebook [LINK FACEBOOK] und hier auf Instagram [LINK INSTAGRAM]. PS: Bringt Zeit, Muße und Sonnenschein mit – und habt keine Angst, euch die Hände dreckig zu machen!

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