FLINTA*-Empowerment | Public Positions im Autonomen Zentrum
Wir leben in einem Patriarchat und es ist überall. Es begegnet uns auf offener Straße, im Berufsleben, im familiären Umfeld, in Statistiken, in der Medizin, in unserem Konsumverhalten, in den sozialen Medien, in den Gefängnissen und selbst im Grab. Einigen von uns bleiben davon verschont, andere hingegen kostet es ihr Leben. Was aber können wir dagegen tun? Die letzte Ausgabe von „Public Positions“ am 12.07. im Autonomen Zentrum widmete sich dieser vermeindlichen Leerstelle und warf die Frage auf, wie wir als Gesellschaft unseren Teil zum Empowerment von FLINTA*-Personen beitragen können. Rund 60 Interessierte besuchten die Podiumsdiskussion und auch wir waren mit dabei.
Public Positions ist eine Veranstaltungsreihe des Masterstudiengangs „Public Interest Design“ der Bergischen Universität Wuppertal (BUW). Sie findet in diesem Jahr bereits zum achten Mal statt und öffnet Räume für Stimmen, „die Positionen zu Gesellschaft, Öffentlichkeit und Gestaltung beziehen, um gemeinsam mit uns ein Verständnis unserer Aufgaben und Verantwortungen als Mitbürger*innen zu diskutieren“ (Quelle). Unter dem Titel „die Bewegliche Gesellschaft“ beschäftigt sich die diesjährige Ausgabe der Veranstaltung mit folgenden Fragen: Was bewegt uns? Was macht uns beweglich? Was bedeutet Bewegungsfreiheit? Wie sozial beweglich sind wir?
In diesem Rahmen widmete sich die Podiumsdiskussion dem Thema Empowerment von FLINTA*-Personen. Auf dem Podium diskutierten neben der Moderator*in Julia Hollstein (Public Interest Design BUW) auch Sophie von Hatzfeldt (Queer-Referat BUW), Fabienne André (Frauen*-Referat BUW), Katharina (AZ Wuppertal) und Martina Völker (stellvertretende Stabsstellenleitung und allgemeine Ansprechpartnerin für Gleichstellung und Antidiskriminierung der Stadt Wuppertal).
Auch wenn Geschlecht nur eine soziale Kategorie von vielen ist, hat sie eine enorme Auswirkung auf das Leben in unserer Gesellschaft. Sie entscheidet leider häufig noch darüber, in welcher Farbe dein Kinderzimmer gestrichen wurde, mit welchen Spielsachen du spielen durftest, ob die erste Schlägerei auf dem Schulhof dir Ansehen oder Abwertung einbringt. Sie entscheidet darüber, welche Produkte du höchstwahrscheinlich kaufst, was dich „schön“ macht, wieviel Geld du in welchem Job verdienen wirst und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass du in deinem Leben Opfer von familiärer Gewalt werden wirst. Die Arten und Weisen, in denen Geschlecht unsere Gesellschaft durchzieht, enden hier nicht – aber der Punkt sollte an dieser Stelle klar sein. Auch wenn das Patriarchat uns alle trifft, trifft es viele von uns besonders stark. Das Akronym FLINTA* wird genutzt, um dieser Gruppe einen Namen zu geben. Es steht für: Frauen, lesbische Personen, inter Personen, nicht-binäre Personen, trans* Personen, agender Personen und (*) weitere.
Wie kann das Empowerment von FLINTA*-Personen unterstützt werden? Braucht es Unterstützung, die in institutionelle Strukturen eingefasst ist? Was kann die Stadt-/Univerwaltung hier über ein Versprechen hinaus leisten? Ist das überhaupt Thema in der Stadt-/Univerwaltung? Wo läuft es besser und wo können wir voneinander lernen? Fragen über Fragen, denen sich die Referierenden an diesem Abend widmeten. Und wie so oft kommt dabei heraus, dass die mächtigen Strukturen, in denen wir leben, Abhängigkeiten reproduzieren, die den Rahmen des Möglichen abstecken: Autonome Referate sind nur so autonom, wie es Geldgeber*innen, Gremien und Studierendenverordnungen erlauben; ehrenamtliche Zusammenschlüsse nur so verlässlich und aktiv, wie es der Ausfall von Lohnarbeit und persönliche Ressourcen ermöglichen; Engagement ist nur nachhaltig, wenn es auch nachhaltig aufrechterhalten werden kann; Empowerment von FLINTA*-Personen kann nur weit genug reichen, wenn die Gesellschaft die Beweggründe dafür versteht.
Ein Name allein reicht daher nicht aus. Um der alltäglichen Diskriminierung zumindest zeitweilig zu entkommen, gibt es deswegen immer mehr Räume, die das Label „FLINTA*-Only“ tragen. Cis Männer haben zu diesen keinen Zugang – und das ist auch gut so. In diesen möglichst diskriminierungsfreien Räumen tauschen sich FLINTA*-Personen aus, sie organisieren sich, vernetzen sich und feiern auch mal zusammen. Kurzgesagt: FLINTA*-Only-Räume sind Orte des Empowerments. Dieses, wie Fabienne bemerkt, von neoliberaler Seite gerne angeeignete Wort, übersetzt sich in Selbstermächtigung und beschreibt einen Prozess, in dem unterdrückte Menschen den diskriminierenden Strukturen gemeinsam entgegentreten. Wie Katharina erwähnt, kann das z. B. im Rahmen von Workshops, in der ansonsten eher männerdominierten Graffiti-Szene vonstattengehen, oder etwa durch queere Arbeit in Referaten der lokalen Hochschule passieren, wie Sophie bemerkt. Überall dort, wo FLINTA*-Personen aufeinander treffen und sich organisieren, entreißen sie der patriarchalen Struktur ein Stück seiner Wirkmächtigkeit.
Der Weg ist noch weit. Aber auch in Wuppertal zeigen sich die Früchte der politischen Arbeit verschiedener Gruppen. Laut der Referent*innen funktioniert die Vernetzung unter den Gruppen schon ganz gut, aber es besteht definitiv Luft nach oben. Martina Völker berichtet, dass in den verschiedenen Gremien abseits des runden Tisches LSBTIQ oftmals zu wenig FLINTA*-Personen vertreten sind, sodass grundlegende Notwendigkeiten zurückgestellt werden. Zwar bessere sich dieser Umstand langsam, aber es besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Katharina betont außerdem mangelnde Frauenhäuser und die enorme Polizeipräsenz bei der diesjährigen Demo am 8. März anlässlich des feministischen Kampftages. Laut Katharina trägt die Polizei damit eine Haltung auf die Straße, die symbolisiert, dass der Staat das Empowerment von FLINTA*-Personen in autonomen Räumen verunmöglichen will. Dieser Umstand der Repression zeige sich auch in dem Versuch der Verdrängung des Autonomen Zentrums als Ort des FLINTA*-Empowerments von der Gathe durch das Bauvorhaben der Elberfelder DiTiB Zentralmoschee. Fabienne hält zuletzt noch fest, dass Schutzräume nicht gleich Schutzräume sind. Während zahlreiche Frauenhäuser z. B. trans* Frauen nach wie vor den Zugang verwehren, wird in andern FLINTA*-Gruppen Rassismus reproduziert. Die Forderung nach verschiedenen Räumen für verschiedene Gruppen ist dabei kein Ausdruck des Versuchs der Spaltung, sondern vielmehr Ausdruck der Notwendigkeit von Orten, an denen Menschen alltägliche Muster ablegen können, gehört und verstanden werden.
FLINTA* ist eben nicht gleich FLINTA*. Frauen trifft das Patriarchat auf eine andere Art und Weise als nicht-binäre Personen, weiße Frauen trifft es anders als Schwarze Frauen und trans* Männern wird oftmals gänzlich abgesprochen FLINTA* zu sein. Wie das Plenum an diesem Abend zeigt, sind es Probleme, die real sind und denen sich angenommen werden muss. FLINTA* darf nicht zu einem Synonym für Frauen werden, wenn es dann die Interessen und Bedürfnisse anderer marginalisierter Personen ausschließt. Deswegen braucht es differente (politische und unpolitische) barrierereduzierte Räume und Gruppen, die sich miteinander austauschen, sich ergänzen, gegenseitig stärken und miteinander in den Diskurs gehen. Es braucht FLINTA*-Personen, die trotz ihrer Unterschiede miteinander kämpfen. Es braucht Kämpfe gegen die repressiven Strukturen, die das Patriarchat immer weiter versteckt reproduzieren. Es braucht cis Männer, die sich für die Belange von FLINTA*-Personen einsetzen – auch wenn die Arbeitskolleg*innen die Augen verdrehen.
Wie können wir als Gesellschaft dazu beitragen, eine inklusive und gerechtere Umgebung für FLINTA*-Personen zu schaffen? Wie bereits eingangs gesagt: Wir leben in einem Patriarchat und es ist überall. Es gibt also zahlreiche Orte und Ecken, an denen wir es entdecken und seiner Mittel entledigen können – jede*r von uns kann seinen*ihren Beitrag dazu leisten. Supportet eure lokalen FLINTA*-Gruppen, spendet für nachhaltige Strukturen, streitet euch mit euren Arbeitskolleg*innen über die Wirkmächtigkeit des Patriarchats und schafft nach Möglichkeit Räume abseits gewaltvoller Strukturen! Ob auf der Arbeit, beim Familientreffen, auf dem nächtlichen Heimweg oder in den hiesigen Stadtentwicklungsdebatten.