Stadtentwicklungssalon | Stadt im Wandel. Ein Quartier – Zwei Szenarien. | ein Nachbericht

Am Mittwoch dem, 18.Oktober 2017, lud das Forum:Mirke zum zweiten Stadtentwicklungssalon in die Hebebühne ein. Rund 70 Interessierte fanden sich ab 19 Uhr in der ehemaligen Werkhalle der Hebebühne ein, um bei einem Getränk Ihrer Wahl und angeregten Gesprächen über Stadtentwicklung den Abends ausklingen zu lassen. Das Thema des Abends wurde unter dem Titel »Stadt im Wandel. Einflussfaktoren und Auswirkungen auf die Stadt von Morgen. Ein Quartier – Zwei Szenarien« zusammengefasst.

13 Studierende der Bergischen Universität Wuppertal, der Fakultät Architektur stellten hier ihre Projektarbeit vor um mit der erforschten Thematik in Zusammenarbeit mit den Interessierten, einen Schritt in die Zukunft des Mirker Quartiers zu wagen.

shot by Wolf Sondermann

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Christian Hampe, Geschäftsführer der Utopiastadt gGmbH und Gründungsmitglied des Forum:Mirke, leitete den Abend gemeinsam mit Jakob Economou, Gründungsmitglied des Hebebühnen e.V., und Katharina Simon, vom Lehrstuhl für experimentelle Stadtforschung, mit einer kleinen Begrüßung ein.

Nach einer ausgiebigen Zeit der Recherche haben die Studierenden Kernaussagen und Problematiken der vergangenen Stadtentwicklung ausgearbeitet. Davon ausgehend, haben die Studierenden innerhalb zweier Szenarien einen Blick nach vorne gewagt. Dieser ist durch zwei statistische Trends fundiert: Zum einen ist das die in den nächsten Jahren zu erwartende Steigerung, später eventuell wieder sinkende Anzahl an Studienplätzen. Hierfür benötigt die Universität mehr flexibel einsetzbaren Raum. Die Studierenden sehen im Wuppertaler Leerstand eine dynamisch nutzbare Variante, Lehrraum zu schaffen und damit eine dezentrale Ausbreitung der Universität zu befördern. Der Strategieplan: Ein Zwischennutzungskonzept für die Raumbedarfe der Universität. Die Stadt schafft den Ausgleich bei der schwankenden Nachfrage nach Studeinplätzen.
Zum anderen muss sich die Stadt mit einer älter werdenden Gesellschaft auseinandersetzen. Die Studierenden haben unter einer Reihe von Vorgaben für eine barrierearme und altersgerechte Quartiersentwicklung Räume, Versorgungssituationen, Wohnmöglichkeiten und Soziales im Quartier untersucht. Insgesamt ist aus den beiden Szenarien ein ganzer Katalog von Herausforderungen aber auch Gestaltungschancen entstanden:

Was muss passieren wenn sich eine Fakultät der Universität im Quartier ansiedelt?

Welche Anforderungen hat eine Fakultät?
Und wo liegt der Mehrwert für das Quartier Mirke?
Wie können wir altersgerechtes Wohnen im Mirker Quartier garantieren?
An welchen Baustellen müssen wir arbeiten und mit wem?

Zu diesen Themen haben 13 Studierende der Bergischen Universität Wuppertal, unter der Leitung von Frau Prof. (Dr.—Ing) Tanja Siems und Katharina Simon (M.Sc.), geforscht und einen allgemeinen Baukasten für Stadtentwicklungskonzepte erarbeitet. Das Ergebnis: ein erstaunlich detailliertes Ursachen-Wirkungsgeflecht. Dieser Baukasten wurde von den StudentInnen Vassilissa Airaudo, Antonia Sabisch, Alexandra Brzezinski, Hasan Doğan und Nicole Schräder an diesem Abend vorgestellt.

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»Aus Leerraum wird Lehrraum«

Der Masterkurs experimentelle Stadtforschung beschäftigte sich zwei Semester mit dem übergeordneten Thema »Stadt im Wandel«.
In dem ersten halben Jahr haben die Studierenden sich die Frage gestellt »Wie kann zukünftige Stadt und das Leben in einer Stadt aussehen? Was braucht zukunftsorientierte Stadtentwicklung?«. In dieser ersten Phase wurde nach Gründen und Ursachen gesucht, warum und in welcher Form sich Städte und ihre Stadtstrukturen bislang veränderten. Kriterien aus den historischen und aktuellen Erkentnissen wurden herausgearbeitet.
In Bezug auf die Historie der Stadtentwicklung spielt hier die deutlich gestiegene langfristig aber Schwankungen unterworfene Anzahl der jungen Menschen die einen Studienplatz anstreben eine große Rolle. Fakt ist: in Zukunft muss die Universität der steigenden Anfrage an Plätzen nachkommen, und dann scheint es sehr ersichtlich dem vielerorts erfolgreichen Konzept einer dezentralen Verteilung von Fakultäten und Gebäuden nachzukommen. Nachdem die Studierenden nach einem halben Jahr, jeder für sich, ein Strategiekonzept entwickelt haben, ging es daran dieses auf ein Fallbeispiel anzuwenden. Zur Überprüfung des Baukastens war es wichtig, die Strategie des Konzepts lokal einzuschränken. Hierfür wurde das Mirker Quartier ausgewählt. Die Studierenden verbrachten rund 1 1/2 Monate im Quartier und analysierten, in Zusammenarbeit mit Matthias Wanner (M.Sc.) und Fabian T. Reinkenhoff vom TransZent, die potentielle Entwicklung des Stadtteils, sowie Leerstand, Nahversorgung, Verkehrsverbindungen uvm. .
Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem dynamischen Quartier werden 7 Planungsziele festgelegt:

1. Soziale Durchmischung
2. Umweltverbund stärken
3. Identitätsbildung
4. Wassersensible Stadtgestaltung
5. Geeignete Zwischennutzungskonzepte
6. Nutzergerechte Nahversorgung
7. Energieoptimiertes Quartier

Potentielle stillgelegte Orte die sich für die Ansiedlung einer Fakultät anbieten, wurden verortet. Ziel war es gegebene Strukturen bestehen zu lassen, vergangenen Gebäuden neues Leben einzuhauchen und somit Platz für die Entwicklung von frischen, zukunftsorientierten Ideen zu schaffen.

»in Wuppertals Leerstand schlummert unheimlich viel Potential, dieses muss genutzt werden!« so Vassilissa Airaudo.

Neben den rein räumlichen Potentialen haben die Studierenden auch eine Reihe weiterer, wichtiger Faktoren für die Ansiedlung von universitären Räumen in den Blick genommen. Dem Quartier fehlt es bisher an infrastrukturellen Einrichtungen. Die Nahversorgung hinkt hinterher und die Anfahrtsmöglichkeiten für eine mögliche Fakultät müssten verbessert werden, um ebenso den Umweltverbund zu stärken und damit die nutzungsgerechte Mobilität im Quatier zu verbessern. Buslinien müssten hierfür ebenso umstrukturiert, Fahrradwege ausgebaut und ein Supermarkt eröffnet werden. Das ist auf der einen Seite Aufgabe der Stadt und den Stadtwerken aber ebenso eine Herausforderung für Wuppertaler BürgerInnen und den im Quartier fast zum Erliegen gekommenen Einzelhandel.

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Auf der anderen Seite wurde das Thema: »Altersgerechtes und Mehrgenerationenwohnen« behandelt. Ist es möglich das Quartier altersgerecht umzustrukturieren?
Was für Gegebenheiten benötigt eine immer älter werdende Gesellschaft?
Sind diese Gegebenheiten im Quartier vorhanden?
Antonia Sabisch stellte hierzu die Ergebnisse der Forschung vor.

Aufgrund der topografischen Lage ist das Mirker Quartier zu großen Teilen nicht altersgerecht. Viele Straßen und Gebäude sind nicht barrierefrei erreichbar, da die Bürgersteige an vielen Orten nicht abgesenkt sind. Obwohl es bereits eine Buslinie gibt, die das Quartier durchfährt, sind große Teile der Mirke für ältere und mobil eingeschränkte Menschen kaumzu erreichen – hier muss eine Option geschaffen werden. Ein kleiner Teil des Quartiers – der süd-östliche – rund um die Kreuz- bzw. Diakoniekirche würde sich für eine gezielte Anpassung anbieten, da hier am ehesten die topographischen Gegebenheiten vorhanden sind. Die Kreuz- bzw. Diakoniekirche würde als neues Zentrum des Quartiers eine große Rolle spielen. In Zukunft müssten Gründerzeitbauten altersgerecht umgebaut werden, Rampen für auf Rollstuhl oder Rolator angewiesene Menschen errichtet, Bürgersteige abgesenkt und Nahversorgung geschaffen werden. Es erscheint dabei unverzichtbar, eine Symbiose von verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, Diversität zuzulassen und zu fördern und bürgerliche Partizipation zu verstärken.

»Soziale Durchmischung ist essentiell für das gute Zusammenleben in einem Quartier, wie diesem!« so Antonia Sabisch.

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Im Anschluss der Präsentation hatten alle BesucherInnen die Möglichkeit sich die Ausstellung anzuschauen und explizite Fragen im Einzelgespräch mit den Studierenden zu klären. Für das leibliche Wohl wurde bei einem Glas Wein und Buffet aus dem Café ADA gesorgt. Schlichtweg eine sehr entspannte, aber ideengeladene Atmosphäre die vor Tatendrang nur so sprudelte. Als Besucher der Veranstaltung war es unverkennbar, dass sich die Interessierten jeglichen Alters miteinander vernetzen und sich über die erarbeiteten Ergebnisse angeregt unterhielten.

Nach der Pause, wurde zum Workshop des Abends aufgerufen. Ziel dieses, war es konkrete Handlungsstränge für die zukünftige Realisierung der in den Raum geworfenen Ideen zu erstellen.

Wer müsste – folgt man den Szenarien – was erledigen? Wer müsste mit ins Boot geholt werden? Wie sähe eine intensive Einbeziehung der BürgerInnen aus?

Eine energiegeladenen Dreiviertelstunde später – voller Diskussionen und Debatten zu den zwei Fragen – wurden die Ergebnisse vor der gesamten Besucherschaft vorgetragen.

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»Was muss passieren wenn sich eine Fakultät im Quartier ansiedelt?«, hierbei stellte Matthias Wanner die Ergebnisse der Diskussion vor.
Die Gruppe hatte sich mit dem komplexen Akteursgeflecht rund um die Entscheidung einer Ansiedlung der Universität im Quartier beschäftigt. Besonders unterstrichen wurde jedoch auch die Gestaltungskraft der AnwohnerInnen im Quartier: Da es bislang keine Kläne der Universität bzgl. einer Ansiedlung außerhalb der drei Campi gibt, wäre es insbesondere die Aufgabe einer aktiven Quartierskonferenz oder ähnliches, das Konzept zu konkretisieren und der Universitätsleitung, der Studierendenvertretung sowie Stadtverwaltung anzubieten. Dabei könnte noch gezielter darauf geachtet werden, welche Gebäude und Strukturen im Quartier beachtet werden müssen. Die Steigerung der Lebensqualität ohne die Verschärfung der Kosten für Wohnraum (Stichwort »Degentrifizierung«) spielte hierbei in der Diskussion eine essentielle Rolle.
Ebenso wichtig ist der Zugang zu Wohnungs- und HauseigentümerInnen die Leerstand im Quartier besitzen. Wie kann man sich mit diesen Menschen an einen Tisch setzen und Ideen in Raum verwandeln?

»Was muss bedacht werden, wenn die Bevölkerung »im Viertel« immer älter wird?«
Zu dieser Thematik stellte eine Teilnehmerin des Workshops die Ergebnisse der Erarbeitung vor. An vorderster Stelle steht die Fragestellung »Wie wollen wir wohnen?«. Es ist essentiell, dass BürgerInnen und AnwohnerInnen des Mirker Quartiers sich diese Frage stellen und in den öffentlichen Diskurs zu tragen. Aus diesen Inhalten kann im Quartier und dann folgend mit der Stadt das bestehende integrierte Handlungsprogramm weiterentwickelt werden. Ebenfalls ein Wunsch an die Stadt: Die Einrichtung einer Anlaufstelle für all diejenigen, die auf der Suche nach Wohnprojekten, KooperationsparterInnen, Immobilien und Leerstand sind. Um Barrierefreiheit zu ermöglichen und die Mobilität im Quartier auf ein zeitgemäßes Maß weiterzuentwickeln, müssen Fördermöglichkeiten identifiziert oder geschaffen werden und schlussendlich beantragt werden.

Das Forum:Mirke wäre in beuden Szenarien ein durchaus zentraler Akteur, der sich um Vermittlung, Bedarfsformulierung und als Kommunikationsplattform anbieten würde. Ein Aufgreifen und Fortführen der Themen in den folgenden Foren ist eingeplant-

Christian Hampe, übernahm die Verabschiedung, dankte insbesondere den Studierenden für ihre sehr fundierte und zukunftsorientierte Arbeit, die einen riesigen Mehrwert für das Quartier und seine BewohnerInnen mit sich tragen könnte.
Vassilissa Airaudo dankte im Sinne aller Studierenden, allen Interessierten für ihr offenes Ohr und die ergiebige, direkte Arbeit an den Themen mit denen sie sich ein Jahr beschäftigt hatten.

»Es ist schön zu sehen, dass unsere Arbeit einen Schritt in Richtung Umsetzung wagt!« so Vassilissa Airaudo.

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Falls du die Veranstaltung nicht besuchen konntest und dich trotzdem für die Ergebnisse der Arbeit der Studierenden interessierst, gibt es gute Neuigkeiten. Die Hebebühne wird an den kommenden zwei Wochenenden 21./22.10 und 28./29.10 ihre Türen wieder öffnen und es somit ermöglichen sich die Ausstellung nochmal in Ruhe anzuschauen. Es werden ebenso Studierende vor Ort sein, die für deine Fragen und Anregungen ein offenes Ohr haben.

Wann und Wo?

Samstag, dem 21.10 von 16:00 – 18:00
Sonntag, dem 22.10 von 16:00 – 18:00
und
Samstag, dem 28.10 von 16:00 – 18:00
Sonntag, dem 29.10 von 16:00 – 18:00

in der Hebebühne, Mirkerstraße 62, 42105 Wuppertal

 

Nach dem Stadtentwicklungssalon ist vor dem Stadtentwicklungssalon!
Das Forum:Mirke lädt zur 3. Veranstaltung des Stadtentwicklungssalons ein.

»Schöner Wohnen für alle?
Wie kann Quartiersentwicklung ohne Verdrängung funktionieren?«

Eine Podiumsdikussion. VertreterInnen aus Immobilienwirtschaft, kommunaler Verwaltung und Stadt- und Raumplanung diskutieren auf dem Podium. Es wird dazu eingeladen an der Debatte teilzunehemen und aktiv mitzuwirken.
Wie wird sich der Wohnungsmarkt im Quartier Mirke entwickeln? An welchen Stellen muss man besonders acht geben, wenn ein Quartier sich entwickelt? Woher kommen notwendige Investitionen in die zum größten Teil denkmalgeschütze Bausubstanz? Wie kann bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben?
Überschneidung von privatem und öffentlichem Interesse – eine Aufgabe.

Wann und wo?

Mittwoch, den 29.November 2017 um 19 Uhr in Utopiastadt,
Mirker Straße 48, 42105 Wuppertal

Eingeladen sind wie immer, alle Stadtentwicklungsinteressierten, Jene die es gerne werden würden oder Interesse am Thema haben!

Fotografische Impressionen von Wolf Sondermann, Text von Max-Mosche Kohlstadt.

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