Bundesjugendzupforchester | ein engagiertes Projekt macht Halt in Wuppertal

Musik spielte in Wuppertal schon immer eine große Rolle. Zahlreiche namhafte Musiker*innen aus diversen Szenen lebten und arbeiteten in der Talstadt und verwandelten Wuppertal zu einer kreativen Hochburg. So ist es kein Wunder, dass auch das Bundesjugendzupforchester in diesem Jahr in Wuppertal Halt machte. Das Orchester, bestehend aus Nachwuchsmusiker*innen aus der ganzen Bundesrepublik, spielte an einem lauen Sommerabend im Juli ein Konzert in der Stadthalle. Wir haben das Projekt in diesem Jahr begleitet und uns abschließend mit Clara Weise, die Teil des Organisationsteams ist, in Wuppertal Mandoline studiert und im Hutmacher arbeitet, zusammengesetzt, um mehr über das Projekt zu erfahren.

Das Bundesjugendzupforchester 2022 in der historischen Stadthalle | Foto von Wolf Sondermann

Clara Weise (24) ist Studentin der Mandoline an der Hochschule für Musik und Tanz Köln am Standort Wuppertal. Sie spielt seit ihrem 5. Lebensjahr Mandoline und gründete 2018 gemeinsam mit Laura Engelmann und Charlotte Kaiser das Bundesjugendzupforchester (BJZO). Wenn sie nicht gerade durch das Land tourt und in verschiedenen Orchesterkonstellationen Musik macht, dann arbeitet sie als Personalleitung im Hutmacher in Utopiastadt. Die lokale Kneipenszene Wuppertals ist inzwischen ebenso Teil ihres Lebens, wie die internationale Mandolinenszene.

Die Mandoline gehört mit einigen wenigen weiteren Instrumenten zu der Familie der Zupfinstrumente. Neben ihrer berühmtesten Vertreterin der Instrumente, in Form der Gitarre, behaust die Übergruppe außerdem Mandolinen, Mandolen und Bässe. Nichtkenner*innen mögen diese Instrumente entweder nicht kennen, oder nicht in der klassischen Musik verorten. Aber die einzelnen Instrumente sind auch in einigen ausgewählten Sinfoniekonzerten zu finden und auch Zupforchester sind nicht zu selten.

Charlotte Kaiser, Laura Engelmann und Clara Weise lernten sich vor ihrem Studium der Mandoline im Rahmen verschiedener Wettbewerbe kennen. Die Zupfszene ist nicht bloß ein Zungenbrecher, sondern darüber hinaus nicht gerade groß – mensch kennt sich also untereinander. Als sie 2018 im Rahmen vom Schleswig-Holstein Musikfestival aufeinander trafen, nutzten sie die gemeinsame Zeit, um sich über ihre Erfahrungen und Begehren auszutauschen. Was ihnen fehlte, war ein Projekt, dass junge Musiker*innen aus der Zupfszene auf Bundesebene miteinander verband. Die Gründe dafür sind zahlreich u.a. die Musiker*innen störten sich an dem bestehenden Klima innerhalb der nationalen Musikszene. So begegneten sie sich selbst immer in einer Atmosphäre, die von Konkurrenz gezeichnet war und wenig Raum für Kooperative eröffnete. Sie sehnten sich nach Orten, an denen die Szene zu einer lebendigen und sich austauschenden werden konnte – in der das gemeinsame Interesse am professionellen Musizieren vorrangig sein könnte. Das Konzept des Bundesjugendzupforchester materialisierte dieses Begehren ab 2019 auf Bundesebene und widmet sich darüber hinaus der Förderung von Nachwuchsmusiker*innen aus der Zupfszene.

Bereits im Rahmen der ersten einwöchigen Projektphase nahmen 30 Musiker*innen am Projekt teil – 2022 sollten es 40 werden. Was anfangs noch in rein privatem Rahmen organisiert und durchgeführt wurde, ist inzwischen in einen selbst gegründeten Verein und dessen Strukturen eingebettet. Aber was genau macht das Bundesjugendzupforchester so besonders? Statt lediglich auf Länderebene zu verbleiben, schafft es das Orchester, Nachwuchsmusiker*innen zwischen 15 und 30 Jahren aus der ganzen Nation zu versammeln. Entgegen herkömmlichen Jugendorchestern arbeitet das Bundesjugendzupforchester nicht mit Dozierenden, die die einzelnen Stimmgruppen anleiten und betreuen. Zusätzlich arbeitet das Orchester mit der Dirigentin Lisa Hummel, die selbst nicht aus der Zupfszene entstammt, wie sonst eigentlich Standard. Was vorerst kontraintuitiv klingt, bringt den Vorteil mit sich, dass das Dirigat nicht vollends vorgibt, wie ein Stück zu klingen hat. Diese Umstände haben vorerst nichts mit der Einsparung finanzieller Mittel zu tun, sondern ermöglichen eine Umgebung, die das gemeinsame Musizieren auf dem Konsens aller Partizipierenden basieren lässt. Wie einzelne Teile der Stücke interpretiert werden, entscheiden die Musiker*innen und die Dirigent*in also gemeinsam. Darüber hinaus entwickeln sie eine gemeinsame Sprache, eine kollektive Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren und spielen, um Stücke technisch auszuarbeiten. Denn tatsächlich hat die lokale Verortung der einzelnen Musiker*innen, die Orte, an denen sie lernen und spielen, Einfluss auf die Technik, mit der sie musizieren. Die Unterschiede mögen für Lai*innen nur schwer erkennbar sein, aber die Diversität in Form des aushandelnden Aufeinandertreffens ist fördernd und impliziert immer auch die Vermittlung neuen Wissens und Fertigkeiten. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal betrifft die Durchführung der Projektwochen. Charlotte, Laura und Clara haben bereits eine geraume Vielzahl an Probenphasen, Wettbewerben und Orchesterkonstellationen miterleben dürfen. Das beschert ihnen nicht nur Erfahrung, sondern schärfte ihren Blick auch für die fehlenden Dinge. Mit diesem Blick ermöglichen sie im Rahmen des Bundesjugendzupforchester Projektphasen, die auf die Bedürfnisse der Teilnehmer*innen zugeschnitten sind.

In der Umsetzung realisiert das Bundesjugendzupforchester mithilfe dieser spezifischen gelebten Praktik einen Bruch in versteiften Strukturen der klassischen Musikszene. Diesen zumeist sehr männlich und autoritär geprägten Konstrukten setzt das Orchester eine Organisationsstruktur entgegen, die von Vielfalt und Kollektivität getränkt ist. Einen Impuls, der mit Hierarchien spielt, sie reflektiert aufbricht und somit neuen Wind in die Szenenlandschaft trägt.

(v.l.) Laura Engelmann Clara Weise und Charlotte Kaiser | Foto von Wolf Sondermann

Inzwischen hat die Projektphase des Bundesjungendzupforchester bereits viermal stattgefunden: in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und zuletzt in Nordrhein-Westfalen in Wuppertal. Warum aber eigentlich genau Wuppertal?

Wuppertal ist einer von nur sehr wenigen Standorten in Deutschland, an dem Mandoline professionell studiert werden kann. Daher ist gerade die Nachwuchsszene der Mandolinist*innen in Wuppertal besonders groß und so ist es nicht verwunderlich, dass zwei der drei Organisator*innen hier studieren. Aufgrund einer fehlenden Unterkunft mit Proberaum in Wuppertal probte das Bundesjugendzupforchester in diesem Jahr in der Jugendherberge in Velbert. Am Ende der fünftägigen Probephase spielten sie ein Konzert im Orchesterzentrum NRW (Dortmund) und eines in der Wuppertaler Stadthalle. Über 200 Besucher*innen hörten sich die Ergebnisse der diesjährigen Projektphase unter den filigran-bemalten Fresken der Wuppertaler Stadthalle an. Das Hauptaugenmerk der diesjährigen Projektphase lag dabei auf Originalwerken für Zupforchester – darunter auch ein Stück der siebenundzwanzigjährigen Komponist*in Olivia Artner namens „Candyland extended“, das sie explizit für das Bundesjugendzupforchester komponierte. Gefördert wurde die Umsetzung in diesem Jahr u. a. von der Stadtsparkasse Wuppertal, dem Wuppertaler Kulturbüro und dem Land NRW.

Vor dem Konzert in der historischen Stadthalle | Foto von Wolf Sondermann

Das Bundesjugendzupforchester ist also weit mehr als ein weiteres Orchester. Es ist das materialisierte Begehren von Nachwuchskünstler*innen und setzt damit ein bestimmtes Augenmerk auf neuartige kollektive Konstellationen in der Musiklandschaft der Bundesrepublik. Wenn ihr mehr über das Bundesjugendzupforchester erfahren wollt, schaut mal auf der Homepage des Projekts [LINK HOMEPAGE BJZO] oder den Social Media Accounts [LINK FACEBOOK/INSTAGRAM] vorbei.

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