Stadtentwicklungssalon | Boden und Immobilien: Ware oder Gemeingut? | ein Nachbericht
Boden und Immobilien: Ware oder Gemeingut?
Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich der 5. Stadtentwicklungssalon des Forum:Mirke.
Auch in Wuppertal steigen allmählich die Kosten für Boden und Immobilien und als Folge daraus auch die Mieten.
Mit Informationen über den Wuppertaler Wohnungsmarkt führte Guido Spars, Professor an der Bergischen Universität für die Ökonomie des Planens und Bauens, in die Veranstaltung ein. Seit den 70er Jahren hatte Wuppertal rund 70.000 Einwohner verloren, nach leichten Zuwächsen in den letzten Jahren liegt die Einwohnerzahl aktuell bei über 350.000. Der Wohnungsleerstand vor allem in der Talachse konnte in den letzten Jahren verringert werden. Die Mieten für neu vermietete Wohnungen stiegen um ca. 9% und grundsätzlich in allen Mietpreissegmenten. Da eine Knappheit an Wohnbauflächen zu höheren Preisen führt, wurden Freiflächenpotentiale identifiziert, allerdings hängt die Verfügbarkeit dieser Flächen von verkaufswilligen Eigentümern ab. Eine umfassende öffentliche oder politische Debatte über den Umgang mit (Frei-)Flächen, Immobilien und Renditen gebe es aber aktuell nicht, konstatierte Spars.
Vom Forum:Mirke eingeladen war auch Fritjof Mothes aus Leipzig von dem Planungsbüro Stadtlabor, um über die Erfahrungen zu berichten, mit welchen Instrumenten in Leipzig gegen Wohnungsknappheit und Mietpreiserhöhungen gearbeitet wird. Auch Leipzig hatte bis vor wenigen Jahren einen erheblichen Einwohnerrückgang, der jetzt allerdings in einen Zuzug von ca. 10.000 Einwohnern jährlich umgeschlagen ist. Die Problematik des Wohnungsleerstands und des Sanierungsbedarfes der leerstehenden Jahrhundertwende-Häuser änderte sich hin zu einer Notwendigkeit neue Wohnungen bereitzustellen. So mussten kurzfristig Wohnbauflächen aktiviert werden, um den sich abzeichnenden Wohnungsbedarf zu decken. Damit dieses nicht zu einem Ausverkauf wertvoller Bauflächen an die meistbietenden Investoren wurde, hat die Stadt unter Beteiligung von Akteuren und Experten ein wohnungspolitisches Konzept erarbeitet. Ergebnis war ein genaues Monitoring, um Probleme auf dem Wohnungsmarkt frühzeitig zu erkennen. Diese Daten werden allen Interessierten zur Verfügung gestellt und diese Augenhöhe sei wichtig, betonte Mothes.
Leipzig hat eine sehr aktive kommunale Wohnungsbaugesellschaft mit einem Wohnungsbestand von ca.35.000 Wohnungen und einem Auftrag weitere 5.000 zu schaffen. Dies bietet Handlungsmöglichkeiten beim Erhalt preisgünstigen Wohnraums. Mit der Organisation »Leipziger Freiheit« wurde für Initiativen, Bauinteressierte, usw. ein Beratungsangebot geschaffen, das sowohl Baugruppen, Genossenschaften aber auch Mieterinitiativen berät. Dadurch entstand eine Vielfalt an kooperativen Wohnprojekten und –formen bzw. konnte erhalten werden.
Durch einen Grundsatzbeschluss werden städtische Grundstücke nicht mehr an den meist zahlenden Bieter verkauft, sondern an den, der das beste Konzept vorlegt (Konzeptvergabe). Dies ist ein Vorteil für gemeinschaftliches Bauen und eine Hürde für rein rendite-orientierte Investoren. Dort, wo die Stadt Entwicklungsflächen nicht selbst halten oder zukaufen konnte, werden inzwischen enge Kooperationen mit den Investoren gesucht. In einem Großprojekt erfolgte eine kooperative Baulandentwicklung in der vertraglich festgelegt wurde, welche Infrastruktur (z.B. Schule, Anteil Sozialwohnungen) der Investor des Gebiets bereitstellen musste.
In der anschließenden Diskussion wurde an diesem Abend deutlich, dass ein politischer Grundkonsens für eine erfolgreiche städtische Bodenpolitik notwendig ist. Dies erfordert eine Grundsatzdebatte mit möglichst vielen beteiligten Akteuren, um gemeinsame Ziele und Strategien zu entwickeln. Wichtig ist, Initiativen Raum zu geben und sie „machen“ zu lassen. Auch die Jahre des Schrumpfens und kreativen Experimentierens seien wertvoll und wichtig gewesen für die Netzwerkbildung und das Selbstbewusstsein verschiedener Akteure. „Die heutige Situation in Wuppertal ist kein Grund, nicht loszulegen“, so der Kommentar von Fritjof Mothes. Wichtig ist es, die Instrumente einer aktiven Liegenschafts- und Wohnungsbaupolitik zu entwickeln, die es ermöglicht, als Stadt agierend einzugreifen. Das erfordert eine aktive Flächensicherung und Ankauf von Flächen, auch wenn sie nicht direkt vermarktet werden können. Ein „Instrumentenkoffer“ muss her, um eine aktive Bodenpolitik betreiben zu können.
Eine zentrale Rolle spielte in der Diskussion, ob das Büro für Quartierentwicklung, nicht besser materiell ausgestattet werden müsste, um sowohl Beratungskompetenzen aus- und aufzubauen, als auch eine aktive Rolle in der Bodenpolitik wahrnehmen zu können.
Wie der Abend zeigte, kann hierbei auf gute Beispiele aus anderen Städten wie Leipzig, München oder Berlin zurückgegriffen werden. Bundesweit ist auch Expertise vorhanden wie beispielsweise das Netzwerk Immovielien, die Stiftung trias mit der Schwerter Erklärung oder der Münchner Ratschlag zum Bodenrecht. Zum Ende der Veranstaltung wurden in der Diskussion weitere Aspekte angesprochen, die dazu beitragen können, die Wohnungskosten zu minimieren. Kontrovers wurde diskutiert, ländliche Gebiete für Wohnungssuchende attraktiver zu gestalten. So könnte der Zuzug in die Zentren vermindert werden und die Leerstände im ländlichen Raum genutzt werden. Auch wurde der Wunsch nach immer größeren Wohnung hinterfragt. Dieses und noch viel mehr wurden dann bei einem leckeren Getränk im Hutmacher weiter diskutiert.
Der Themenschwerpunkt „Boden und Immobilien“ wird in einem weiteren Stadtentwicklungssalon in 2019 fortgeführt werden. Dann soll mit lokalen Akteuren aus Verwaltung, Politik, der Immobilienwirtschaft und Interessierten weiter diskutiert werden, wie Wuppertal das Heft des Handelns in der Bodenpolitik stärker in die Hand bekommen kann.