Möglichkeitsraum K49 | Selbstverwaltung und Kooperation als Gegenprogramm
Nachbar*innenschaft als etwas voraussetzungsloses zu verstehen, als etwas, das einfach durch bloße Koexistenz innerhalb abgegrenzter urbaner Areale existiere, zeugt von einem sehr flachen Verständnis von Nachbar*innenschaft. Doch dieses Verständnis passt nur zu gut zu den Zeiten, in denen wir aktuell leben. Denn die pandemischen Zustände und die wirtschaftliche Situation treiben viele Menschen in Isolation und Abkapselung. Der Gang vor die Tür bleibt damit doppelt verwehrt – für die einen zu teuer, für die anderen zu risikoreich. Das K49 stellt sich als selbstverwalteter Möglichkeitsraum und Kollektiv gegen diese Trendentwicklung und offenbart dabei eine andere Art des Zusammenlebens. Wir haben uns an einem sonnigen Sonntagnachmittag über die konstruierten Grenzen des Quartiers hinaus gewagt und uns mit Kollektivmitglied Tom auf einen Kaffee getroffen, um mehr über das Konzept, die Geschichte und die Utopie hinter dem K49 zu erfahren.
Tom ist Teil des 12-köpfigen Kollektivs K49, das das gleichnamige Ladenlokal betreibt. Wenn er sich nicht gerade in der Nachbar*innenschaft verwirklicht, arbeitet er hauptberuflich als Therapeut für Menschen im Autismus-Spektrum.
Kaum verwunderlich, dass Menschen wie Tom diese frustrierende Situation zum Anlass nehmen, um Räume zu schaffen, die nach anderen Vorstellungen und Realitäten greifen – abseits von bloßer Koexistenz und Verlass auf die unsichtbare Hand des Marktes. Einer dieser Orte ist das K49 in der Lothringer Straße 49. Bevor das K49 seine Türen öffnete, wurden die Räumlichkeiten als Wohnung und Atelier einer*eines Künstler*in genutzt, die bei ihrem*seinem Auszug eines der heutigen Mitglieder auf den leerstehenden Raum aufmerksam machte. In einem gemeinsamen Prozess fanden sich weitere Interessierte zusammen und gemeinsam überlegten sie als Kollektiv, was das K49 für ein Raum werden könnte. Schnell fand das Projekt „Loop“ – ein Upcycling und Secondhandgeschäft in Leerstandsnutzung – hier ein neues Zuhause. Doch das K49 sollte im Interesse der Kollektivmitglieder mehr werden als bloß eine Zwischennutzung und zu einem Möglichkeitsraum für die Nachbar*innenschaft heranwachsen, der sich gegen die gesellschaftliche Isolierung auflehnt – das ist situierte Nachbar*innenschaftsarbeit, in einer Zeit, die von einer anhaltenden Pandemie, andauernden Inflation und ausufernder Klimakatastrophe gezeichnet ist.
Nachbar*innen sollen hier zusammenkommen und gemeinsam über die Gestaltung ihres Lebensraumes diskutieren und entscheiden können. Um tatsächlich alle Nachbar*innen zu erreichen und nicht bloß einen weiteren Ort für gut betuchte Menschen zu schaffen, wird im K49 auf Konsumzwang verzichtet. Menschen dürfen Getränke und Speisen ohne schlechtes Gewissen oder versteckte Preise mitbringen und vor Ort verköstigen. Ermöglicht wird dieses Programm vor allem von der ehrenamtlichen Arbeitskraft der Kollektivmitglieder und weiteren Helfer*innen. Das bisherige Feedback dazu könnte nicht besser sein.
Das K49 versteht sich als selbstverwalteter Raum, der gemeinsam von dem Kollektiv und Interessierten gestaltet wird. Diese Organisationsform funktioniert abseits von Hierarchien, Entscheidungsbefugnissen Einzelner und erzwungenem Individualismus. Stattdessen werden Entscheidungen basisdemokratisch in monatlichen Plena getroffen, die Miete kollektiv erwirtschaftet und gemeinsam mit Nachbar*innen und Wuppertaler*innen Ideen realisiert. Motto: Mitmachen, um Raum zu füllen. Laut Tom schlägt sein Herz gerade für selbstverwaltete Strukturen, weil Selbstverwaltung nicht von oben auferlegt werden kann. Sie entfaltet sich vielmehr in aufkeimender und lebendiger Praxis. Das K49 ist daher als selbstverwalteter Raum zu verstehen, in dem die infrastrukturellen Grundlagen eröffnet werden, um Projekte und Veranstaltungen zu realisieren. So fand hier in der Vergangenheit z. B. das Release Konzert des Wuppertaler Künstlers und Nachbarn „Schramm“, eine Lesung von kurdischen Aktivist*innen und ein gemeinsames Kochen und Essen an einer langen Tafel statt. Außerdem findet derzeit an jedem Sonntag ein offenes Café und an fast jedem Donnerstag ein Filmabend statt.
In Zukunft will das Kollektiv weiterhin regelmäßig Veranstaltungen realisieren, um sich in der Nachbar*innenschaft zu etablieren und die Räumlichkeiten sanieren, damit nicht mehr lediglich eine Holzplatte sie von den Nachbar*innen trennt. Die Utopie des K49 ist riesig und doch niedrig gestapelt. Diese Auffassung passt zum Konzept des Kollektivs, denn es basiert maßgeblich auf Kooperation, statt individualisiertem Fortschritt. Durch kollektive Bemühungen wachsen Ideen und Möglichkeiten. Um die Charakteristika und Vorzüge eines selbstverwalteten Raumes auch langfristig aufrechtzuerhalten, soll das K49 nicht zu einer festen Einnahmequelle verkommen und sich auf dem bestehenden Markt messen müssen. Denn wenn kapitalistische Zwänge auferlegt werden, brechen sie zuerst mit der Praxis, die keine Gelder akquiriert und das schadet zumeist der Kooperation.
Apropos Kooperation: Das K49 versteht sich keineswegs als Konkurrenz zu etablierten institutionalisierten Einrichtungen und Räumen, die Nachbar*innenschaftsarbeit verwirklichen. Stattdessen wählt das Kollektiv einen anderen Ansatz, um Menschen auf eine andere Art und Weise anzusprechen. Ein zentraler Bestandteil dieses Ansatzes ist der einer realen Erfahrung der eigenen Verwirklichung. Durch niedrige Eintrittsschwellen und die Abwesenheit von Hierarchien können im Möglichkeitsraum K49 Vorhaben wesentlich spontaner und barrierenreduzierter realisiert werden und somit in nachhaltigen Erfahrungen der Selbstwirksamkeit resultieren. Das Kollektiv will dadurch reale postkapitalistische Entwürfe zeichnen, die ein basisdemokratisches Miteinander durch geteilte und selbstverwirklichende Praxis denkbar werden lassen. Dahinter steckt kaum zu verstecken auch eine politische Idee: Alle 4 Jahre zur Wahlurne zu gehen und Kreuze zu machen ist für Tom und das Kollektiv kein ausreichender Modus der Gestaltung von Gesellschaft, den sie mit ihren Idealen vertreten wollen. Sie distanzieren sich konkret von bestehenden Zwängen des Marktes, die Menschen ständig als in Konkurrenz stehende Unternehmer*innen ihres Selbst verstehen und behandeln und säen damit die Basis, um Solidarität und Selbstverwaltung zu leben.
Weder Nachbar*innenschaft, noch Räume sind voraussetzungslos. Sie sind nicht einfach da, sondern bedürfen der Arbeit und Interaktion von Menschen. Das K49 zeigt, wie dies gelingen kann und welche Vorteile daraus hervorgehen können, wenn sich diese Arbeit konträr zum kapitalistischen Markt entfaltet. Falls ihr selbst Teil des Kollektivs K49 werden wollt, oder einfach zu Besuch vorbeischauen wollt, findet ihr hier [Instagram] weitere Informationen und hier könnt ihr das Kollektiv kontaktieren [Mail]. Zudem könnt ihr euch gerne melden, wenn ihr konkrete Ideen für Veranstaltungen im K49 habt. Ihr seid herzlichst auf ein leckeres Stück Kuchen und einen heißen Kaffee auf der sonnigen Fensterbank eingeladen!
Leider existiert das K49 nicht mehr.
Steffi
Hey Steffi,
so weit wir wissen, existiert das k49 noch sehr wohl und ist immer Sonntags geöffnet!
Das K49 ist gar nicht in der Kieler Str. 49.
Es ist in der Lothringer Str. 49 in 42107 Wuppertal.
Das sollte geprüft und ggf. korrigiert werden.
Da hast du recht. Wir haben das gerade geändert. Danke für den Hinweis!
Deswegen habe ich gedacht es ist gechlossen.
Das Lokal in der Kieler Str. 49 ist nämlich laut Aussage des Besitzers seit 15 Jahren geschlossen.
Danke für die Hilfe und schnelle Antwort.