Aktionstag „What is it Worth?“ | ein Nachbericht

shot by Wolf Sondermann

Wieviel ist es wert? Wertigkeit scheint in unserer heutigen Gesellschaft oftmals eine untergeordnete Rolle zu spielen. Der Konsum bestimmt das menschliche Leben und lange Zeit wurde Reichtum und Lebenswert durch die schiere Masse des Konsums definiert. Dabei blieben Qualität und Wertschätzung oftmals im Hintergrund. Doch insbesondere in den letzten Jahren ist das blinde Konsumieren immer mehr außer Mode gekommen – in Zeiten in denen Kinder und Jugendliche die Schule schwänzen müssen um für ihre Zukunft einzutreten, Tonnen von Plastik die Weltmeere verschmutzen und Arbeiter*innen in Produktionsländern, trotz täglicher Überstunden, ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können. Dem zu trotz eröffnete am 16. April eine weitere Primark Filiale in Deutschland. Dieses mal mitten im neuen Herzen Wuppertals, direkt am neu gebauten Döppersberg. Die Fast-Fashion-Kette war in der Vergangenheit auf Grund von unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Kleidungsstücken zum Spottpreis in Verruf geraten. Trotz heftiger Proteste der Wuppertaler Bürger*innen öffnete dieser Konsumtempel und auch Besucher*innen blieben nicht fern. Die ehrenamtlichen Utopist*innen wollen dem ein Zeichen entgegensetzen und veranstalteten deswegen am Wochenende vor der Eröffnung den Aktionstag „What is it worth?“. Rund 500 Besucher*innen machten sich, zwischen Sonnenschein und Schneeregen, über den Tag verteilt zu Utopiastadt auf, um gemeinsam einen alternativen Konsum zu fördern. Dafür ließ sich Utopiastadt einiges einfallen und bediente sich bereits existierender Aktionen.

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»Unnütze Klamottenberge loswerden – eine Kleidertauschparty«

Protest kann vielseitig sein und das machten sich die Utopist*innen zur Hilfe. Gemeinsam stellten sie Angebote auf die Beine, die sich mit betroffenen Arbeiter*innen solidarisieren und Konsumalternativen aufzeigen. So wurde erneut eine der erfolgreichen „Kleidertauschpartys“ veranstaltet. Das Prinzip dieses Modells ist recht simpel. Wir alle kennen den Überfluss in den eigenen Kleiderschränken. Das Lustige und zugleich Traurige daran – niemand kann so viele Klamotten tragen. Das macht sich die Kleidertauschparty zu Nutze. Besucher*innen bekommen die Möglichkeit einen Jutebeutel mit ihren ungetragenen oder aussortierten Kleidungsstücke mitzubringen und diese der Masse zur Verfügung zu stellen. Damit bist du deine Klamotten los und das Kollektiv an Besucher*innen kann sich kostenfrei an deinen alten Klamotten bedienen. Die Aktion bewährt sich. Fleißig bringen immer mehr Besucher*innen ihre Kleidung mit und suchen sich neue aus dem Fundus aus. Jung und Alt spazieren durch den Wartesaal 3, begutachten und wuseln sich durch die Klamottenberge. Die musikalische Unterstützung der Boombox schafft eine gemütliche Partyatmosphäre. Besucher*innen lachen während sie alberne Kleidungsstücke anprobieren und freuen sich über neue Schätze. Frei nach dem Motto „Was mir nicht gefällt, könnte dir doch gefallen!“.
Die Klamotten die am Abend übrig bleiben werden an die Wuppertaler Tafel gespendet und so vor dem undankbaren Ritt in die Tonne bewahrt.

„In einem Leben, dass sich immer schneller zu drehen scheint und der Morgen früher kommt als der Abend geht, wir nur noch im Heute leben ohne von Gestern zu lernen und an Morgen zu denken, ist es schön einen Kontrapunkt zur gedankenlosen Kosumwelt in der Mitte der Stadt zu erleben. Es tut gut gebrauchten Dingen die ausschauen wie neu ein zweites Leben zu schenken und zu sehen wie aus alten Stoffen ganz neue nützliche Dinge entstehen.“ so Jan Kreienkamp, Utopist.

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»Zwischen Nähmaschinen und Fadenwerken«

Direkt neben an hat sich das „Fadenwerk“ breit gemacht. Eine Nähtruppe aus ehrenamtlichen Utopist*innen, die sich zwei Mal im Monat trifft um gemeinsam zu nähen und eine schöne Zeit zu verbringen. Die fleißigen Utopist*innen haben 10 Nähmaschinen aufgebaut, die den Raum im vollen Betrieb mit dem charakteristischen „klacken“ füllen. Aus alten, aussortierten T-shirts werden hier schicke und ausgefallene Umhängebeutel gezaubert. Kinder probieren sich unter fachlicher Anleitung an den Nähmaschinen aus und basteln so ihre eigenen Kreationen. Designs werden entworfen, eigene Klamotten verziert und aufgehübscht. Ganz wie beim monatlichen Treffen des „FadenWerks“ kommen auch hier Unbekannte ins Gespräch, geben ihr Wissen weiter und erfreuen sich des Selbstmachens. So kann Aktionismus und der Kampf gegen den Wegwerf-Fast-Fashion Spaß machen!

„We need to be human!“ so Gabi Baca, Gründer*in der Band ‚Baca Loca‘.

shot by Wolf Sondermann

Der Tag findet einen ganz besonderen Abschluss. Gaby Baca beendet, gemeinsam mit ihrer Band „Baca Loca“, den Aktionstag in Utopiastadt. Die aktivistische Band aus Nicaragua thematisiert auf ihrer Europatour „Wings of Freedom“ die widrigen politischen Verhältnisse in ihrer Heimat. Dabei machen sie insbesondere auf die bürgerkriegsähnlichen Zustände, die Rolle der Frau und den fehlenden Umweltschutz aufmerksam. Mit ihrer Musik fordert die „verrückte Kuh“, das bedeutet der Name der Band wenn er ins Deutsche übersetzt wird, Gerechtigkeit für Einwohner*innen Nicaraguas und ein friedvolles Leben im Einklang mit der Natur. Auf ihren vier Saiteninstrumenten schafft die Band eine Atmosphäre die den Hutmacher ausfüllt. Menschen klatschen im Takt, tanzen freudig miteinander und nach jedem Song wird gejubelt und geklatscht. Die Stimmung brodelt förmlich und zeigt wie schön die Solidarisierung mit betroffenen Menschen sein kann. „Baca Loca“ entpuppte sich als absoluter Geheimtipp!

Ein besonderer Tag geht mit dem Abschluss des Konzertes zu Ende. Die Besucher*innen lassen den Abend bei einem Getränk ihrer Wahl und angeregten Gesprächen ausklingen. Die Atmosphäre dieses Tages war gemütlich. Kein typischer Aktionstag. Aber ein Tag der aufzeigte wie Konsum funktionieren kann und darf!

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