25 Jahre POP ART | Nostalgie trifft auf Kult
Eine rotierende schwarze Kunststoffscheibe wird von einer millimeterdünnen Nadel berührt – es knistert – und Musik ertönt. Dass so etwas funktionieren kann, will auch heute noch nicht in meinen Kopf hinein. Deswegen ist jede Platte, die ich von Zeit zu Zeit auflege, immer wieder ein besonderer Moment. Als ob die Musik dadurch etwas gewinnen würde. Doch für viele Menschen ist die Schallplatte bereits eine lebenslange Begleiterin. So auch für Astrid Broerse und Manos Varthalitis. Gemeinsam betreiben sie auf der Hochstraße 67 das Ladenlokal Pop Art. Am 05. November feiern sie ihr 25. Jubiläum. Wir haben die beiden besucht, um mehr über das letzte Vierteljahrhundert und ihre Begeisterung für das schwarze Gold zu erfahren.
Astrid Broerse ist gebürtige Remscheiderin, wohnt aber bereits seit 26 Jahren in Wuppertal. Nur ein Jahr nach ihrer Ankunft 1997 machte sie sich mit ihrem Ladenlokal Pop Art selbstständig. Ihre Berufung machte sie auch mit ihrem späteren Ehemann Manos Varthalitis bekannt. Sie lernten sich Ende der 90er Jahre auf einer Plattenbörse kennen. Manos als Kunde – Astrid als Ausstellerin. Seit 2000 betreiben sie Pop Art gemeinsam.
Als 1887 die erste Schallplatte gedruckt wurde, war das wohl ein magischer Moment, der einer Revolution gleich kam. Eine völlig neue Ära des Konsums und der Produktion von Musik brach an. Auf einmal konnten die heimischen Wohnzimmer zu Konzertsälen verwandelt werden, in denen der Lieblingsmusik in ganz eigener Atmosphäre gelauscht werden konnte. Dass sich das Medium 100 Jahre später bereits wieder auf dem absteigenden Ast befinden würde, war nicht vorauszusehen. Die Verkaufszahlen sanken, während die der CD in die Höhe schossen. Als die Streamingdienste die Ohren der Welt eroberten, glaubte wohl kaum noch jemensch an ein Comeback des schwarzen Goldes. Aber aus scheinbar unerklärlichen Gründen nimmt die Popularität des Vinyls seit Anfang der 2010er Jahre wieder zu.
Als Astrid 1997 ihren Laden eröffnete, befand sich die Schallplatte in der größten Rezession ihrer Geschichte. Während Expert*innen den „Tod der Schallplatte“ einläuteten, nutze sie den Moment, um sich mit extrem preiswerten gebrauchten Platten einzudecken. Im Sinne des Namens des Ladens verkaufte sie diese neben Kunstbüchern, gebatikten T-Shirts, und Design-Mobiliar aus den 50er und 60er Jahren. Nachdem der erste Laden in Unterbarmen viel zu schnell viel zu klein wurde, zog sie in die Grünsiegel-Passage um. Ein Inhaber*innenwechsel mit anschließender Kündigung der Mieter*innen führte sie 2002 dann zum Ladenlokal im Mirker Quartier. Seitdem ist die Hochstraße 67 das Zuhause von Pop Art. Nicht nur der Standort wechselte dabei, sondern auch der Schwerpunkt des Sortiments. Heute beherbergt das Ladenlokal über 50.000 Tonträger jeglicher Art und zahlreiche Secondhand-Bücher. Dank des Trendwechsels und der steigenden Begeisterung für Vinyl findet neben alten Schätzen aus zweiter Hand inzwischen auch immer mehr Neu-Vinyl Einzug in dem Laden. Fein sortiert nach Interpret*innen und Genres laden die mannigfaltigen Tische zum Stöbern ein. An Wochenenden ist Astrid auch immer wieder auf Tour. Mit ihrem kultigen Auto fährt sie durch das bergische Land und besucht mit Secondhand Büchern und Platten Flohmärkte, Stände und Messen. Unter anderem versorgt sie im Rahmen der kleinen Büchermärkte auch die Studierenden auf dem Campus Grifflenberg an der Bergischen Universität Wuppertal.
Das Konzept des Ladens und die schlichtweg kultige Atmosphäre hat über die letzten 25 Jahre zahlreiche Kund*innen angezogen. Manche von ihnen besuchen den Laden bereits seit der Eröffnung, andere bringen bereits ihren Nachwuchs mit. Die Faszination für Schallplatten scheint intergenerational zu sein. Aber warum eigentlich?
In den letzten Jahren erfahren analoge Techniken ein erneutes Comeback. Nicht nur die Schallplatte – auch analoge Filmfotografie. Die Sättigung des digitalen Zeitalters ist allgegenwärtig. Ganze Musikalben sind nur wenige „swipes“ auf dem Handydisplay entfernt. Es wäre aber weit gefehlt zu denken, dass diese Entwicklung schlichtweg nur positiv ist. Zwar bekommen immer mehr Menschen Zugang zu Musik, andererseits verdienen Musiker*innen auch immer weniger Geld mit ihren Werken. Längst machten abstruse Cent-Beträge die Runde, die Musiker*innen für das vielfache Streamen ihrer Musik „verdienten“. Die Ausbeutung in der Musikindustrie ist allgegenwärtiger denn je. Die Flucht zurück zur Platte ist deswegen vielleicht einfach ein logischer Zug. Diese analogen und zeitlosen Fragmente sind einfach mehr als sie zu sein scheinen. Die einen schwören auf das Knistern, die anderen auf die Tonqualität der Platte. So können sie haptisch erfahren werden und stellen ein Gesamtkunstwerk auf Grafik und Ton dar. Die Faszination für das schwarze Gold ist ungebrochen.
Das Quartier Mirke ist über die letzten Jahre übrigens nicht nur Standort des Ladenlokals geblieben. Da Astrid und Manos seit auch im Quartier leben, erfahren sie die Atmosphäre hier als nachbarschaftliches Miteinander. Man grüßt sich, man kennt sich und informiert sich über die neuen Plattenzugänge. Falls Astrid mal wieder vergessen hat, wo sie ihr Auto am letzten Abend abgestellt hat, helfen ihr die Nachbar*innen weiter – der ikonischen Lackierung ist zu danken.
25 Jahre Pop Art. 25 Jahre Musikkultur. 25 Jahre Sammelleidenschaft und Begeisterung für das Analoge. Anlässlich eines Vierteljahrhunderts Pop Art, laden Astrid und Manos am 05. November ein. Neben tagesaktuellen Rabattaktionen wird es ab 17 Uhr laut. Im Schaufenster wird eine kleine Bühne hergerichtet, auf der die Band „Mängelexemplar“ spielen wird. Das Duo aus Wuppertal und Düsseldorf bringt tanzbare elektronische Musik mit und Astrid und Manos betonen explizit, dass „getanzt werden darf“. Eintritt muss an diesem Tag übrigens nicht gezahlt werden!
Hinter jeder Tür im Quartier versteckt sich eine ganz andere Welt. Wir sind froh, die Tür zu Pop Art nun endlich mal geöffnet zu haben und den „Tod der Schallplatte“ hoffentlich auf ein ewig morgiges verschieben zu können. Wir gratulieren euch hiermit zum 25. Jubiläum und hoffen, dass noch viele weitere folgen werden. Falls ihr mehr über Pop Art erfahren wollt, könnt ihr auf Facebook [FACEBOOK] oder Instagram [INSTAGRAM] vorbeischauen.