Ein dritter Ort im Quartier | Wie ein Raum in den Wiesenwerken Möglichkeiten schafft

Die Wiesenwerke erleben derzeit eine Transformation – und mit ihnen verändert sich auch das Quartier. Die ehemalige Gold-Zack-Fabrik, in der die Wiesenwerke 2022 ein Zuhause fanden, ist derzeit eine Baustelle. Doch hinter dem Staub und den Planen verbirgt sich mehr als nur ein Umbau. Inmitten des Quartiers entsteht ein Ort, der uns Bewohner*innen neue Möglichkeiten eröffnen wird. Einer der zentralen Bausteine dieses Prozesses ist der bereits fertiggestellte „Projektraum“ im zweiten Obergeschoss – ein sogenannter „Dritter Ort“, der sich dem Gemeinwohl verschrieben hat und Menschen im Quartier zusammenbringen soll. Wir haben uns mit Leonie Altendorf, der Gemeinwohlmanagerin der Wiesenwerke, getroffen, um mehr über das Konzept, die bisherigen Entwicklungen und die Visionen für diesen Ort zu erfahren.

Wer im oberen Teil der Wiesenstraße wohnt oder sich dort häufiger aufhält, dem dürfte nicht entgangen sein, dass die Wiesenwerke in der ehemaligen Gold-Zack-Fabrik derzeit einer Baustelle gleichen – einer Baustelle im Werden. Doch mit Blick auf den bereits fertiggestellten „Projektraum“ im zweiten Obergeschoss lässt sich schon jetzt erahnen, welchen Charme die Wiesenwerke in Zukunft versprühen und vor allem, welche Möglichkeiten sie dem Quartier eröffnen werden. Genau um diesen Projektraum soll es in diesem Artikel gehen und so ist es kaum verwunderlich, dass wir Leonie Altendorf dort antreffen. Die studierte Kommunikationsdesignerin lebt seit vielen Jahren im Quartier, gehört zum Organisationsteam des Forum:Mirke und arbeitet seit zweieinhalb Jahren als Gemeinwohlmanagerin in den Wiesenwerken. In dieser Rolle ist es ihre Aufgabe, das Quartier und seine Bewohner*innen in die Wiesenwerke zu integrieren und damit dazu beizutragen, dass die Wiesenwerke wiederum Teil des Quartiers werden. Der Projektraum ist dafür ein zentraler Baustein, denn er steht dem Quartier, der Nachbarschaft und den Wuppertaler*innen für gemeinnützige Zwecke kostenlos zur Verfügung: als Tagungsraum für Vereine, als Treffpunkt für die Bastelgruppe oder als Veranstaltungsraum für Kinoabende. Private Feiern und/oder kommerzielle Veranstaltungen sind in den Räumen hingegen ausgeschlossen. In diesem Sinne versteht Leonie den Raum als „Dritten Ort“ – im Werden.

Das Konzept des „Dritten Ortes“ geht auf den amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg zurück. Es beschreibt jene Räume, die neben den privaten (ersten) Orten und den (zweiten) Orten des Arbeitslebens existieren und der Gemeinschaft und dem sozialen Austausch dienen. Nach Oldenburg zeichnen sich Dritte Orte durch Neutralität, Offenheit, Niedrigschwelligkeit, Multifunktionalität, Gemeinschaftlichkeit und eine allgemein angenehme Atmosphäre aus. In ihrer Ausprägung können sie unterschiedliche Formen annehmen und als Parkanlagen, Cafés oder auch als Projekträume auftreten. Gerade für die Quartiersentwicklung sind Dritte Orte von zentraler Bedeutung, da sie das soziale Miteinander stärken, die Identifikation mit dem Wohnumfeld fördern und Integration ermöglichen. Sie tragen dazu bei, dass lebendige, inklusive Nachbarschaften entstehen, in denen sich Menschen wohlfühlen und vernetzen können. Leonie selbst wurde auf das Konzept aufmerksam, als sie sich in ihrer Rolle als Gemeinwohlmanagerin mit der Frage beschäftigte, wie eine breite Beteiligung, die in erster Linie über die Erreichbarkeit der Zielgruppen funktioniert, in den Wiesenwerken ermöglicht werden kann.

Ein solcher Dritter Ort entsteht jedoch selten dadurch, dass er als solcher benannt wird. Der Projektraum soll sich daher langfristig und vor allem gemeinsam durch die Menschen, die ihn beleben, zu einem Dritten Ort entwickeln. Leonie nimmt dabei eine begleitende Rolle ein, die Interessierten die Möglichkeiten des Raumes eröffnet und gleichzeitig darauf achtet, dass der Raum nicht für Zwecke genutzt wird, die der Satzung der Wiesenwerke widersprechen. Denn während die Definition des Dritten Ortes beispielsweise auch Cafés als solche zulässt, soll der Projektraum der Wiesenwerke ausschließlich gemeinnützigen Projekten und Ideen zur Verfügung stehen, die keinem Konsumzwang unterliegen. In einer zunehmend digitalisierten, individualisierten und ökonomisch durchstrukturierten Gesellschaft gewinnen gerade solche Räume als Orte der voraussetzungslosen Begegnung und des Zusammenhalts an Relevanz.

Derzeit wird der Dritte Ort in den Wiesenwerken neben kleineren Veranstaltungen vor allem von einer Improvisationsgruppe, einer Kreativgruppe, einer Krabbelgruppe, einem FLINTA Solidaritätsnetzwerk und verschiedenen Vereinen für Treffen und Tagungen genutzt. Während Mietkosten solche Treffen oft erschweren, hat die bloße Existenz und die Beschaffenheit des Projektraums viele dieser Formate überhaupt erst möglich gemacht. Derzeit sind diese Nutzungen, so wertvoll sie auch sind, jedoch stark auf den direkten Kontakt zu Leonie angewiesen. Denn aufgrund der baulichen Beschaffenheit der Wiesenwerke und der Lage innerhalb des Gebäudes wird der Projektraum nur von Menschen wahrgenommen, die bereits Gäst*in der Wiesenwerke waren oder das Privileg haben, durch Kontakte und Recherchen von dem Raum zu erfahren. Da sich ein Dritter Ort aber nur schwer verlagern lässt, möchte Leonie diese Hürde langfristig durch konkrete Vernetzungsarbeit mit anderen Multiplikator*innen im Quartier und direkte Ansprache potentieller Nutzungsgruppen abbauen.

Jenes Vorhaben wird vermutlich auch davon unterstützt, dass der Dritte Ort der Wiesenwerke in Zukunft größer werden wird. Denn wie im Rahmen des Stadtentwicklungssalons im Mai 2023 gemeinsam mit Landschaftsarchitekt*innen erarbeitet wurde, werden die asphaltierten Außenflächen des ehemaligen Industriegebäudes großflächig umgestaltet und zeitgemäß weiterentwickelt. Neben einer praktischen Wegeverbindung zwischen Wiesenstraße und Nordbahntrasse sollen auf Teilen des heutigen Parkplatz auch ein Ort der Begegnung entstehen, den die Anwohner*innen gemeinsam beleben können. Wann es soweit ist, ist derzeit noch nicht konkret absehbar. Leonie hofft sich jedoch, dass diese Entwicklung der Außenflächen langfristig dazu beiträgt, dass auch die Möglichkeiten des Projektraums ein breiteres Publikum finden.

Wie eingangs erläutert, sind die Wiesenwerke ein Ort im Werden. Doch schon heute beherbergen sie einen Raum, den wir als Bewohner*innen des Quartiers nutzen können, um uns zu begegnen, gemeinsame Aktionen zu planen und so unser gesellschaftliches Miteinander zu gestalten. Diese Möglichkeit bietet uns auch die Chance, Teil der Wiesenwerke zu werden und an dem Transformationsprozess der ehemaligen Gold-Zack-Fabrik – und daher dem des Quartiers – mitzuwirken und teilzuhaben. Falls du also eine gemeinnützige Idee hast, die einen Ort im Quartier benötigt, um Wirklichkeit zu werden, schreib einfach eine Mail an Leonie: l.altendorf@wiesenwerke.de oder ruf sie an: +49 (0) 175 735 479 1. Weitere Informationen findest du außerdem auf der Homepage der Wiesenwerke oder auf Instagram.

Foto von Judith Kolodziej (@siebterfebruar)
Wort von Max-Mosche Kohlstadt (@dermosche)

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