Afritopia – Global Food Lab | Was macht unsere Ernährung?
Wir alle sind es gewohnt in einem vollkommen ausgestattetem Supermarkt einkaufen zu gehen. Hier reihen sich Bio Tomaten an Erdbeeren, Eisbergsalat an Zitronen. Aber wo kommen diese Lebensmittel her? Welchen Weg haben sie hinter sich und wie wurden sie produziert? Warum gibt es überhaupt Erdbeeren im Winter? Und was macht eine Tomate zur Bio Tomate? Das sind Fragen die sich durchschnittliche Bewohner*innen des globalen Nordens nur selten stellen müssen. Warum auch? Weil in dem was wir essen eben viel mehr steckt als wir glauben.
Die Veranstaltung „Afritopia – Global Food Lab„, die am vergangenen Samstag auf den Flächen des Utopiastadt Campus stattfand, stellte sich genau diesen Fragen. In zahlreichen Mikroveranstaltungen wurde an diesem Tag aufgezeigt wie die Ernährung des globalen Nordens das Leben der Menschen im globalen Süden beeinflusst. Trotz der zu unrecht unterrepräsentierten Thematik, blieb der große Auflauf der Besucher*innen jedoch der Veranstaltung fern. Niklas Brandau, Organisationsmitglied und Mitarbeiter der Utopiastadt gGmbH erklärte sich bereit einige Fragen zur Veranstaltung zu beantworten.
Nachdem wir gemeinsam über die Veranstaltungsfläche streifen und Impressionen aufsaugen lassen wir uns an einem Tisch auf der Utopiastadt Campus Raumstation nieder. Vor mir sitzt Niklas Brandau. Der Vierungvierzigjährige ist nicht nur Teil des Organisationsteams des „Afritopia – Global Food Lab“, sondern ebenso als Mitarbeiter der Utopiastadt gGmbH für die Utopiastadt Campus Raumstation zuständig. Wenn er nicht gerade Projekte über die Bühne bringt oder mit dem Bagger über die Raumstation fährt, engagiert sich der leidenschaftliche Utopist ehrenamtlich im Bereich Ernährung, urbane Lebensmittelproduktion und Bildungsarbeit in Utopiastadt. Heute ist er für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zuständig.
Vor rund einem Jahr kamen Interessierte der Verbände „Eine Welt Netz e.V.„, „Forum für soziale Innovation“ und „Südwind Institut“ auf Utopiastadt zu. Die Verbände haben in der Vergangenheit bereits mehrere Bildungsveranstaltungen zu globalen Themen im Ruhrgebiet realisiert und waren auf der Suche nach einem Veranstaltungsort im Bergischen Land. Nachdem sie sich mit Niklas Brandau und weiteren Utopist*innen an einen Tisch setzten und ihre Idee teilten wurde sofort klar, dass diese Veranstaltung in das Programm Utopiastadts passt. Rund ein Jahr später sehen wir das Ergebnis der Planung.
Aber für was genau steht überhaupt „Afritopia“?
Das Wortspiel dürfte einleuchten, die Thematik dahinter ist hingegen ein wenig komplexer. Sie basiert auf dem Fakt, dass gerade in einer globalisierten Welt wie der heutigen, die kleiner den je wirkt, die Handlungen des globalen Nordens enorme Auswirkungen auf das Schicksal des globalen Südens haben. „Afritopia – Global Food Lab“ legt dabei den Fokus auf Lebensmittelproduktion und dessen Folgen, Importe und Exporte. Es ist besonders wichtig, dass der afrikanische Kontinent hierbei als exemplarisches Beispiel für den globalen Süden funktioniert. Mit der Veranstaltung will das Organisationsteam sowohl auf politische und wirtschaftliche Missstände hinweisen, die durch den globalen Handel entstehen und als Basis für den Wohlstand des globalen Nordens fungieren, als auch auf die Arbeit von emanzipatorische Initiativen auf dem afrikanischen Kontinent und innerhalb Europas.
Verseuchte Ackerböden, Landgrabbing, Desertifikation, Kinderarbeit, fehlende medizinische Versorgung und mangelnder Arbeitsschutz. Dies sind Auswirkungen die aus der kapitalistischen Lebensmittelproduktion im globalen Süden resultieren. An diesem Tag werden all diese Themen im Rahmen von Lesungen, Infoständen, Redebeiträgen, Führungen durch die Farmbox, Workshops und Filmvorführungen thematisiert. Die Menschen die ihre Erfahrungen und ihr Wissen teilen kommen zu meist aus dem entwicklungspolitischen Bereich und haben vor Ort, im globalen Süden, mit den Folgen der Produktion zu kämpfen. Aber auch Organisationen wie Greenpeace, Amnesty International und Brot für die Welt sind Teil der Veranstaltung und informieren an Ständen über ihre Arbeit.
Neben den Informationsveranstaltungen gibt es außerdem afrikanische Köstlichkeiten und frisches Gemüse vom nahgelegenen Wünnerhof. Imrick hat sich gemeinsam mit seiner Familie vor einem Jahr seinen Traum vom eigenen Bauernhof verwirklicht und befindet sich momentan in der Umstellung zum Demeter zertifizierten Bio Hof. Seit rund zwei Wochen probiert er jeden Freitag Nachmittag aus, wie ein lokaler Marktstand auf den Flächen des Utopiastadt Campus funktionieren könnte. Niklas Brandau berichtet auch bereits von weiteren Interessierten. Vorher muss sich allerdings noch die Nutzung der Fläche ändern. Wie das zum Gedanken von „Afritopia – Global Food Lab“ passt? Der lokale Erwerb von Lebensmitteln ist und wird auch in Zukunft der klimaneutralste und leidensfreiste Weg des Erwerbs bleiben. Nur durch die Unterstützung von lokalen Betrieben und dem Umdenken bezüglich der Normalität der Bio Tomaten die sich das ganze Jahr über an Erdbeeren, Eisbergsalat und Zitronen reihen, ist das Nord-Süd-Gefälle aufzuheben.
Um das ganze Programm abzurunden gab es natürlich auch ein paar kulturelle Einschübe. Die Friedrich-Bayer-Realschule besuchte den Bahnsteig des historischen Bahnhof Mirke und gab einige ihrer Songs zum Besten. Die „Mobile Oase“ organisierte, skurril wie immer, ein Improtheater zum Thema „Genuss der Heimat“ mit der sie Passant*innen auf die Thematik der Veranstaltung aufmerksam machte. Abgeschlossen wurde der Tag mit einem Open Air Konzert von „Aidara Seck„, der samt seiner Band „Havare“ anreiste. Mit Trommelschlägen, Gesang und Gitarrensounds beendete er diesen afritopischen Samstag voller Informationsfluten.
Es ist schade, dass an diesem Samstag nur verhältnismäßig wenig Wuppertaler*innen ihre freie Zeit in Utopiastadt verbringen. Steht aber ebenso exemplarisch dafür, wie wenig sich die Menschen in westlichen Ländern der Ausmaße ihres Konsums bewusst sind. Das sollte sich ändern. Die Veranstaltung „Afritopia – Global Food Lab“ setzte einen guten Startschuss. Auf viele weitere kritische entwicklungs- und globalpolitische Veranstaltungen in Wuppertal!