„2500 Tagen für starke Kinder und eine kindgerechte Zukunft“ | Rückblick auf 7 Jahre Kulturkindergarten
Was wäre, wenn wir „Kindergarten“ neu denken? Was wäre, wenn wir Kunst und Kultur zu einem elementaren Bestandteil des Kita-Alltags werden lassen? Was könnte so eine Einrichtung leisten? Das hat sich Musiker und Musikpädagoge Björn Krüger vor etwa 13 Jahren gefragt. Bis aus der Idee etwas Konkretes wurde, gingen Jahre ins Land. Erst benötigte die Stadt im Mirker Quartier keine weiteren Kita-Plätze und als der Bedarf ein paar Jahre später doch aufkam, musste sich ein neues Team für das Projekt bilden. Als er mit Astrid Ippig und der Alten Feuerwache gemeinsam an einem Tisch saß, war klar: hier haben sich genau die richtigen Menschen gefunden. „Wir merkten direkt: wir denken ähnlich zu den Themen Diversität, sozialen Einrichtungen und Sozialraumwirkung“, erinnert sich Ippig. Sie kam dazu, als es darum ging, die Stelle der Leitung zu besetzen. Vom ersten Spatenstich bis zum ersten Kita-Tag begleitete sie mit Krüger den Bau des „Kulturkindergartens“.



Anders als bei der Neugründung anderer Kitas verschafften die Träger – die Alte Feuerwache und Proviel – den Verantwortlichen das, was sonst oft fehlt: Zeit. Um gründlich zu planen, zu ermitteln, was es braucht, um die Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Während der Bauzeit trafen sich die Beiden zu Streifzügen durchs Quartier und besprachen das Konzept im Detail. Als 2018 der Betrieb startete, leitete Ippig die Einrichtung, während Krüger mit einigen Wochenstunden den künstlerisch-musikalischen Beitrag leistete. Später entschied er sich zur Erzieherausbildung und bildet mittlerweile mit Ippig das Leitungsteam. Ein Schritt, den er nicht bereut: „Wir ergänzen uns super mit unseren unterschiedlichen Expertisen und Werdegängen.“

Die Einrichtung will als Familienzentrum für die Menschen im Quartier da sein. Eine neu gebaute Kita mit kultureller Bildung im Fokus – das ist aber nicht nur für Eltern aus dem Quartier interessant. „Wir sind für die Leute hier, die hier leben“, erklärt Ippig. Deswegen sorgt das Team gezielt für eine Mischung, was die Herkunftsfamilien der Kinder betrifft: „Wir haben ein Drittel gut aufgestellte Familien, etwa ein Drittel, die kommen hier aus dem Viertel und da ist es so durchmischt, wie es eben ist. Und dann haben wir ein Drittel Familien, denen geht es wirklich nicht gut, die haben hohen Unterstützungsbedarf.“ Durch den Zusammenschluss mit der Alten Feuerwache kam zur kulturellen Bildung ein weiterer wichtiger Grundpfeiler dazu: Armutsprävention. Hier soll der Raum entstehen, in dem alle voneinander lernen, egal woher sie kommen. Musik und Kultur werden dazu als Brückenbauer gedacht. Dafür kooperierte die Einrichtung bisher mit verschiedenen Akteur*innen in der Stadt: das Sinfonieorchester oder Dörte aus Heckinghausen sind dafür nur Beispiele. Selbstwirksamkeit durch eigenes kreatives Schaffen gehört dazu genauso wie der Besuch eines sinfonischen Konzerts. Hier seien es gerade die benachteiligteren Familien, die sich von Angeboten wie Familienkonzerten in der Stadthalle nicht angesprochen fühlen. Oft sei das Gefühl da „mir steht das nicht zu“.
Nach sieben Jahren Betrieb und den ersten Jahrgängen, die beim Übergang in die Schule begleitet wurden, blicken die Leiter*innen zufrieden zurück. Aus den Grundschulen gebe es bisher viel positives Feedback: Egal aus welchem familiären Hintergrund die Kinder kämen – beim Schuleintritt seien alle auf einem ähnlichen Level. Damit sei zumindest eine gewisse Form von Chancengleichheit erreicht. Froh sind die beiden auch darüber, dass viele Familien nach der Kita-Zeit noch Teil der Gemeinschaft sein wollen. „Das möchten den Familien und Kindern mitgeben: Das ist der Ort, wo ihr immer wieder hin zurückkommen könnt“, so Ippig.

Lässt sich all das ohne Weiteres für andere Einrichtungen übernehmen? Die Antwort ist ein vorsichtiges Jein. Durch die Träger im Hintergrund hat der Kulturkindergarten andere Möglichkeiten zu haushalten. Das zeigt sich unter anderem an dem sehr guten Betreuungsschlüssel. Krüger stellt ehrlich fest: „Wir können noch so viele tolle Ideen haben, wenn wir nicht genügend Personal hätten, könnten wir all das nicht umsetzen.“ Auch die Unterstützung durch die Mitarbeiter*innen von Proviel, die alle hauswirtschaftlichen Aufgaben übernehmen, trägt dazu bei. Dadurch bleibe mehr Zeit für die Kinder.
Ippig glaubt aber auch, dass es um die Haltung und den Willen etwas zu bewegen geht. „Das ist eigentlich die Botschaft, die wir nach draußen senden wollen“, ergänzt sie. Deswegen teilen sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit anderen. Und davon können hoffentlich viele andere Kitas in Zukunft auch profitieren.
Foto von Judith Kolodziej (@siebterfebruar)
Text von Tiziana Schönneis (@tilausch)