Unikate für den Alltag | zu Besuch bei Patina
Der lokale Einzelhandel ist nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil von Städten wie Wuppertal. Durch die aufstrebenden Onlinegroßhandel mit allseits bekannten Namen und immer größer werdenden Marktketten geht aber auch in der Talstadt der lokale Einzelhandel stetig zurück. Die anhaltenden Zustände haben den Einzelhändler*innen erneut Steine in den Weg gelegt und forderten dadurch kreative Maßnahmen. So fand sich auch Einzelhändlerin Hanna Hüttepohl ab Mitte März in ihrem geschlossenen Geschäft »Patina« auf der Mirker Straße wieder. Not macht bekanntlich erfinderisch und auch an Zeit mangelte es nicht. Also nahm Hanna die Situation, als Anlass ihr Geschäft auch in der Onlinewelt zu etablieren. Wir wollten mehr über Hannas Aktionismus, ihren einzigartigen Laden und die Atmosphäre erfahren und haben uns deswegen am vergangenen Samstagmorgen von ihr auf einen Kaffee einladen lassen.
Hanna Hüttepohl ist studierte Kommunikationsdesignerin und Designliebhaberin. Schon in ihren Jugendjahren besuchte sie die Schule in der Mirker Straße und lebt nun seit 10 Jahren wieder im Quartier. Wenn sie nicht gerade im wohl stilvollsten Laden der Stadt hinter der Theke steht, arbeitet sie in Teilzeit im Designbereich. Als sie Mitte März einen Anruf bekommt, findet sie sich danach sowohl mit angeordnetem Homeoffice als auch Kurzarbeit konfrontiert. Hanna begegnet diesem Zustand mit Aktionismus – mit Erfolg!
»Patina«. Das steht für liebevoll ausgewählte Einzelstücke die genutzt werden wollen. Hier steht nichts hinter zentimeterdicken Vitrinengläsern. Stattdessen sind die Unikate liebevoll arrangiert und ermöglichen es den Besucher*innen sich die Stücke in ihren eigenen vier Wänden vorzustellen. Das Sonnenlicht, das durch die großen Altbaufenster in die Räumlichkeiten scheint, lädt die Besucher*innen auf einer Zeitreise durch das Design der Vergangenheit ein. Ein Geschäft kann wohl nicht mit mehr Liebe zum Detail eingerichtet sein und gerade deswegen berichten Kund*innen immer wieder von einer entspannten Atmosphäre die nicht zum Kauf verpflichtet. Kein Wunder, dass Hannas Tresen damit in der Vergangenheit oftmals zum Ort des nachbarschaftlichen Gesprächs wurde. Insbesondere Einzelstücke aus den 30er bis 60er Jahren haben es Hanna angetan und über die letzten Jahre hat sie sich so einiges an Expertise und Wissen rund um Möbel, Dekoration und Gebrauchsartikel aus der Zeit angeeignet. »Patina« ist inzwischen Anlaufstelle für Sammler*innen und Interessierte aus ganz Deutschland, aber auch für designverliebte Wuppertaler*innen. Für Hanna ist »Patina« und ihr Slogan »Unikate für den Alltag« eine Art des Konsums: Weg von Wegwerf-Mobiliar und IKEA-Einheitsbrei und hin zu Interieur mit Charakter und Geschichte. Wolf schleicht während des Interviews stetig durch den Raum und erkennt immer wieder begeistert Möbel aus seiner Kindheit und Jugend wieder.
Am 13. März feierte Hanna im engen Kreis noch das fünfjährige Bestehen von »Patina«. Nur vier Tage später sah sie sich im Rahmen der eingeleiteten Maßnahmen, mit der vorläufigen Schließung ihres Geschäfts konfrontiert. Das hätte im schlimmsten Fall das finanzielle Fiasko von ihrem Laden bedeuten können. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken entwickelte Hanna in der anstehenden Zeit einen Aktionismus der dazu führte, dass sie alle ausgestellten Unikate fotografierte, katalogisierte und anschließend in ihrem zuvor ungenutzten »Lookbook« einstellte. Liebevoll drapiert und arrangiert reichert Hanna das Lookbook mit Infos zu den einzelnen Artikeln und dessen Geschichte an. Ein »Lookbook« ist kein normaler Onlineshop. Hier bekommen die Kund*innen nicht die Möglichkeit sich Waren in den virtuellen Warenkorb zu legen. Vielmehr können sie sich, wie in einem Katalog, für Artikel begeistern, anschließend reservieren lassen und dann vor Ort begutachten bevor sie diese erwerben. Hanna wählte diese Art und Weise, weil die angebotenen Unikate ihre eigenen Charakteristika und Macken mit sich bringen. Ihr ist es wichtig, dass die Kund*innen diese vor Kauf zu Gesicht bekommen und die Stücke in den eigenen Händen halten können.
Und das neue Projekt geht auf. Anfänglich nutzen viele Quartiersbewohner*innen und Bekannte das Lookbook um sich solidarisch gegenüber dem lokalen Einzelhandel zu zeigen, Hanna zu unterstützen und sich selbst mal etwas zu gönnen. Inzwischen wird sie sogar von Kund*innen aus den entlegensten Stellen Deutschlands kontaktiert, denen sie ihre Einzelstücke via Post zukommen lässt. Auch wenn das Lookbook-Konzept aus der Not heraus entstanden ist, kann sich Hanna gut vorstellen es auch weiterhin fortzusetzen und diese Möglichkeit des Vertriebs aufrechtzuerhalten. Das bedarf allerdings einer Menge Mehraufwand und erst in Zukunft wird sich zeigen, inwiefern das längerfristig möglich sein wird. Auf die Frage, ob der Weg in die Online-Welt ein gewünschter oder notwendiger Wandel sei, antwortet Hanna „Ich sag mal so… eher ein necessary evil!“. Denn auch wenn der Onlinevertrieb ein Wesentliches zur aktuellen Aufrechterhaltung ihres Geschäfts beiträgt, bleibt Hanna Freundin der direkten Begegnung mit Kund*innen und Interessierten.
Auch wenn keiner Schuld an der herrschenden Krise ist, so sieht Hanna im lokalen Einzelhandel und dessen Akteur*innen einen Handlungsbedarf. Einzelhändler*innen müssen in dem Zuge digitaler Denken und Anbieten um auch in Zukunft, in Konkurrenz mit namhaften Onlinevertrieben, bestehen zu können. Laut Hanna liegt es auch ein Stück weit an den Einzelhändler*innen Aufmerksamkeit für ihre momentane Situation zu schaffen, was allerdings staatliche und lokale Institutionen nicht von ihrer Verantwortung enthebt den lokalen Einzelhandel aktiv zu unterstützen. Aber auch die Kund*innen verfügen über die Möglichkeit aktiv zu unterstützen in dem sie bevorzugt im lokalen Einzelhandel einkaufen. Es ist also gemeinsames an einem Strang ziehen gefragt! Im Quartier selbst wünscht sie sich eine aktivere Vernetzung der bereits bestehenden Geschäfte und die Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur stärkeren Aktivierung des Einzelhandels im Quartier. Die baldige Fahrradstraße Friedrichstraße lässt auf steigende Attraktivität für Einzelhandel und Gastronomie hoffen.
Bevor wir den Laden verlassen stellt Wolf noch die Frage aller Fragen: „Wenn das Quartier ein Tier wäre, welches wäre es?“ Als langjährige Bewohnerin des Quartiers antwortet Hanna nach kurzer Denkpause: „Ein Chamäleon. So oft wie ich dieses Quartier verflucht habe, würde ich hier doch nie wegziehen wollen. Das Quartier kann alles sein und steht und fällt mit seinen Bewohnerinnen. Nachbarschaftliches Beisammenseins ist dafür ein großer Faktor für mich!“. Darüber hinaus hofft sie allerdings, dass der in den letzten Jahren initiierte nachhaltige und aufstrebende Wandel, nicht zu weit getrieben wird und dadurch die Menschen die ihn selbst ausmachen verdrängt.
Falls du Hanna und »Patina« bisher noch nicht besucht haben solltest, darfst du dich hiermit herzlichst dazu veranlasst fühlen diese Stück Quartier Mirke zu erkunden. Seitdem die Maßnahmen es wieder zulassen, hat sie wie gewohnt jeden Freitag und Samstag geöffnet. Die genauen Zeiten und weitere Infos findest du hier auf ihrer Homepage, oder hier auf ihren Social Media Kanälen (Instagram | Facebook). Ach ja und noch zum Schluss noch ein kleiner Teaser: Ab September wird sich im Hinterzimmer des Lokals so einiges ändern!
Hallo Frau Hüttenpohl bin vor 2Std bei Ihnen gewesen das hat mir sehr gefallen
Diese alten Stücke wieder zu sehen LGiovanni
Hey Giovanni,
leider erreichst du Hanna nicht über diesen Artikel. Wenn wir sie das nächste mal sehen, werden wir ihr deine Nachricht jedoch weiterleiten.
Halt die Ohren steif!