Kneipenkollektiv Schmitz‘ Katze | Organisation und Haltung machen Unterschiede

Zeitgenössische Stadtentwicklungsdebatten finden nur selten Anklang in den breiten Bevölkerungsdiskursen und das spiegelt sich auch in den Gruppierungen wider, die diese Debatten führen. Meist sind es gut verdienende, weiße Bildungsbürger*innen, die sich der ehrenamtlichen Arbeit in ihren Quartieren widmen. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, wird aber zum Problem, wenn nur die eigenen homogenen Interessen durchgesetzt werden. Die Auswüchse dieser Problematik werden in durchgentrifizierten Stadtteilen in deutschen Großstädten sichtbar, aus denen große Teile marginalisierter Bevölkerungsgruppen verdrängt wurden. Damit es nicht so weit kommt, braucht es Organisationsformen, die unterschiedliche Menschen ansprechen und ihnen die Möglichkeiten geben, sich einzubringen. Das Forum:Mirke stellt dabei eine Form der Organisation dar – das Schmitz‘ Katze-Kollektiv eine andere. Wir haben uns mit Marius und Timo in der Schmitz‘ Katze getroffen, um mehr über das Konzept hinter dem Laden und das Kollektiv zu erfahren.

(v.l.) Timo und Marius am selbstgebauten Thekenblatt | Foto von Wolf Sondermann

Die Kerngruppe des Schmitz‘ Katze Kollektiv besteht aus ca. 10–15 Menschen. Manche von ihnen befinden sich mitten in der Ausbildung, andere studieren und/oder gehen ihrer Lohnarbeit nach. So auch Marius und Timo, die beide Teil des Kollektivs sind und sich in unterschiedlichen linken Subkulturen und politischen Gruppen aktiv organisieren. Die Gruppe fand sich Anfang 2020 im ehemaligen Info-Café auf der Wiesenstraße zusammen, weil sie ein Begehren teilten. Der Diskurs um konkrete Gentrifizierungsakte auf dem Ölberg und die Schließung der ehemaligen linken Kneipe »Multi Kulti« auf der Hochstraße hatten eine Lücke hinterlassen. Es fehlte abseits des AZs (Autonomes Zentrum) an linken Räumen, in denen man sich austauschen und organisieren konnte. Gemeinsam begegneten sie ihrem Begehren mit Aktionismus, erarbeiteten gemeinsam eine Vision und begannen mit der Suche nach Räumlichkeiten in der Elberfelder Nordstadt. Fündig wurden sie Ende 2020 in der Hochstraße 23. Während der umfangreichen Renovierungsarbeiten zeichneten sich dann die Einschnitte der aufkommenden Covid-19 Pandemie ab. Doch das hinderte das Kollektiv nicht daran, im Juni 2021 unter coronakonformen Auflagen die Türen zu öffnen.

Die Kneipe benannten sie nach dem Wuppertaler Anarcho-Syndikalisten und Antifaschisten Hans Schmitz, der 2007 verstarb. Er kämpfte unter enormer Repression als Mitglied der Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend Deutschlands (SAJD) gegen das nationalsozialistische Regime. Auch nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs war Schmitz weiterhin politisch aktiv und erzählte von seinen Erfahrungen und Erlebnissen. Ohne Vorkämpfer*innen wie Hans Schmitz, die ihre Leben gegen die Gräueltaten der Nationalsozialist*innen stellten, wäre ein Ort wie dieser undenkbar. Das Kollektiv reiht sich mit der Namenswidmung in eine Reihe politischer Kämpfe ein und verortet sich bewusst als Fortleben dieser Bewegung. Das zeigt sich im Inneren des Ladens, wo einige Erinnerungen an Schmitz an der Wand hängen und ein großes Graffiti sein Fahndungsbild der Gestapo aufgreift. Hier ist auch die Schwarze Katze wiederzufinden – ein traditionelles Zeichen der anarchistischen und syndikalistischen Bewegung.

Aber was macht die Organisationsform des Schmitz‘ Katze Kollektivs so besonders?
Das zeigt sich z.B. in der Art und Weise des Wirtschaftens. Die Schmitz‘ Katze hält sich durch die Einnahmen des Getränkeverkaufs, vereinzelte Spenden und beständige Fördermitgliedschaften am Leben. Alle Fördermitglieder erhalten im Gegenzug zu ihren monatlichen Spenden einen Rabatt von 50ct auf alle Getränke – da schmeckt das Hansa noch besser. Des Weiteren verzichten alle Thekenmitarbeiter*innen auf ihre Entlohnung und entgegen der gängigen Maxime, den größtmöglichen Profit zu generieren, spendet das Kollektiv alle Gewinne, die nicht wieder in den Laden reinvestiert werden müssen, an ähnliche Projekte im Aufbau oder andere Organisationen. Wohin die Spenden konkret fließen, wird gemeinsam entschieden. Das in der Gastronomie übliche Trinkgeld wird in einer Aufschubkasse gesammelt, aus der sich Gäst*innen mit geringen finanziellen Mitteln ihre Getränke finanzieren können. Darüber hinaus können Gäst*innen aber auch ihre eigenen Getränke mitbringen oder sich im Raum aufhalten, ohne zum Konsum gezwungen zu werden. Inzwischen hat das Kollektiv so alle Kredite für die Renovierung und Ausschankgenehmigung abzahlen können – das Konzept geht also auf. Hätte das Fortbestehen der Schmitz‘ Katze lediglich auf dem Rücken einer einzelnen Person gelastet, hätte eine Neueröffnung im Sommer 2020 und die fortlaufende Existenz wohl einem Kamikazeakt geglichen. Hier zeigt sich, dass die Art und Weise der Organisation maßgebliche Auswirkungen auf die realen Möglichkeiten er Strukturen hat.

Ein weiterer zentraler Bestandteil der Organisation der Schmitz‘ Katze ist das linke Selbstverständnis. Linkssein ist hier nicht bloß auf politisches Gerede reduziert, sondern auch Grundlage jeglicher Handlung. Das Kollektiv organisiert sich deshalb selbstverwaltet und nach dem Prinzip horizontaler Hierarchien. Hier gibt es keine Chef*innen, Arbeitgeber*innen oder Vorarbeitende. Stattdessen werden alle Entscheidungen im monatlichen Plenum gemeinsam getroffen. Als Basis der Zusammenarbeit wurde gemeinschaftlich ein Statut erarbeitet, in der strukturelle Vorgänge geregelt werden. Was für Viele nach Utopie klingen mag, ist hier gelebte Realität – wenn auch (natürlich) nicht frei von Konflikten.

Aus dem linken Selbstverständnis resultiert auch eine linke Perspektive auf gesellschaftliche Problematiken. Damit werden Probleme, die auch in aktuellen Stadtentwicklungsdebatten thematisiert werden, in größere gesellschaftliche Mechanismen eingeordnet und als Verteilungsproblematiken verstanden: Während einige die Eigentumswohnungen nur so sammeln und leer stehen lassen, werden andere aus ihren Wohnungen geräumt und sitzen auf der Straße. Linke Perspektiven brechen hier mit neoliberalen Maximen und Interventionen und fokussieren die Ursprünge dieser Phänomene in ihrer gesellschaftlichen Komplexität. Dafür braucht es verschiedene Blickwinkel und Räume, die diese hören und zulassen. In der Schmitz‘ Katze wird das durch die niederschwellige Zugänglichkeit der Kneipe und das Einbinden verschiedener Gruppen in den Alltag ermöglicht. Bei Kaffee, Limo und Bier wird Raum für Austausch und Vernetzung geschaffen. So finden hier unter anderem diverse Stammtische, Brettspiel-Abende, Lesekreise, gemeinsame Lerntreffen, Filmvorführungen, Diskussionen und Beratungscafés der Roten Hilfe und der Freien Arbeiter Union (FAU) ein Zuhause. Außerdem werden einige Tage im Monat von externen Gruppen gestaltet und übernommen. Darunter zum Beispiel der Klimagerechtigkeitstresen von Ende Gelände Wuppertal [INSTAGRAM ENDE GELÄNDE WUPPERTAL], der queerfeministische flinta-only Tresen der Gruppe Contraataque [INSTAGRAM CONTRAATAQUE] und der Eimerpunx-Tresen [FACEBOOK EIMERPUNX]. Die Besucher*innenschaft ist ebenso divers aufgestellt und wird toleriert, so lange sie den Minimalkonsens der Diskriminierungsfreiheit des Raumes bewahrt. Deswegen sieht sich das Kollektiv auch nicht in Konkurrenz zum AZ. Unterschiedliche Räumlichkeiten sprechen unterschiedliche Personen an und öffnen somit andere Handlungsmöglichkeiten.

Als linker Raum endet die Wirkung der Schmitz‘ Katze aber nicht an der Türschwelle, sondern soll auch auf die Nachbar*innenschaft einwirken, ohne Gentrifizierung voran zu peitschen. In den letzten Monaten setzte sich das Kollektiv daher u.a. kritisch mit den größeren Entwicklungen, wie dem Vorhaben der DiTiB Moschee auf der Gathe auseinander, die dort ein neues Gemeindezentrum errichten wollen. Dafür soll das AZ weichen – ein alternativer Standort ist bisher noch nicht in Sicht. Seit längerer Zeit steht außerdem im Raum, dass DiTiB unter der Hand der türkischen Regierung agiert, die völkerrechtswidrige Menschenrechtsverletzungen am laufenden Band vollzieht. Im Zuge dieser Debatte solidarisiert sich das Kollektiv mit dem AZ Wuppertal und möchte das Bauvorhaben verhindern [LINK PM AZ WUPPERTAL].

Organisation ist grundlegend, um etwas zu tun, dass wir nicht alleine können. Deswegen ist sie z.B. für Stadtentwicklungsdebatten, die unsere Lebensräume zum Gegenstand haben, so essentiell. Doch unter den gegebenen Umständen wirkt die Palette der Möglichkeiten der Organisierung oftmals recht limitiert – Vieles scheint nicht praktikabel oder gar unmöglich. Die Schmitz‘ Katze zeigt aber, dass die Ordnung der Dinge auch eine andere sein kann. Das andere Organisationsformen auch andere Realitäten ermöglichen und dass es an uns liegt, wie wir sie erreichen. Für uns war es wirklich inspirierend, diese Einblicke zu erhalten und zu sehen, dass Projekte auch ohne klassische Hierarchien, gestresste Kolleg*innen, Profitdruck und Entfremdung funktionieren können. Im Hinblick darauf haben viele Akteur*innen der Stadtentwicklungs-Bubble noch einiges zu lernen. Das Kollektiv ist übrigens weiterhin auf der Suche nach neuen Fördermitgliedern, Ehrenamtler*innen, die Thekenschichten übernehmen wollen und Gruppen, die die Räumlichkeiten gerne für ihre Zwecke verwenden wollen. Falls ihr Interesse habt, schaut euch die Homepage des Kollektivs [HOMEPAGE SCHMITZ‘ KATZE] oder den Instagram Account [INSTAGRAM SCHMITZ‘ KATZE] an. Dort findet ihr auch die Öffnungszeiten und weitere Veranstaltungstermine!

PS: Die Kneipentür knallt, zum Leid der älteren Damen von Obendrüber, immer wieder ins Schloss. Das verträgt selbst die beste nachbarschaftliche Beziehung nicht allzu lange. Seid also so lieb und lasst die Tür nicht achtlos ins Schloss fallen – dann schmeckt das Bier auch besser!

2 Kommentare

  • Schöner Artikel!
    Leider habt ihr euch bei den Jahreszahlen vertan. Gruppengründung und Anmietung der Räume war 2020, Eröffnung 2021.
    LG

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