Einweihung des Mahnmals der Seebrücke Wuppertal | ein Ort des Gedenkens, der Information und des politischen Protests
Am vergangenen Samstag versammelte sich eine Vielzahl von Wuppertaler*innen auf dem neu eröffneten Vorplatz von Utopiastadt. Anlass dafür war die Einweihung des Mahnmals der „Seebrücke Wuppertal“, das auf die Vielzahl von flüchtenden und ertrunkenen Menschen an den Außengrenzen Europas aufmerksam machen soll. Darin wird eine bestimmte Absurdität deutlich, denn dieser Ort sollte nicht gefeiert werden müssen, weil es ihn eigentlich nicht geben sollte. Die menschenunwürdigen Umstände im europäischen Grenzraum machen diesen Tag, diesen Ort und diese Feier jedoch notwendig. Ermöglicht wurde die Errichtung des Denkmals durch zahlreiche Ehrenamtler*innen und eine Finanzierung durch das Bürgerbudget. In einem vielfältigen Rahmenprogramm wurden nicht nur kulturelle sondern auch politische Impulse gesetzt, die das Mahnmal als politischen Ort im öffentlichen Raum verstehen lassen.
Aus dem Boden ragt der Bug eines eisernen Bootes. Das Heck ist bereits teilweise im braunen Erdboden versunken, der von blau blühenden Blumen überzogen ist. Wenige Meter daneben eine eiserne Steele, in die Buchstaben geprägt sind und Wörter in Schwimmwestenorange erscheinen lassen: „Gedenkort“. Was melancholisch klingt, ist in Wahrheit sinnbildlicher Ausdruck für die brutalen Zustände im europäischen Grenzraum. Denn hier werden tagtäglich flüchtende Menschen auf gewaltvolle und illegale Weise davon abgehalten, ein Leben in Sicherheit zu leben – nicht selten lassen sie dabei ihr Leben. Illegale Push-Backs, im Rahmen derer flüchtende Menschen, entgegen der von EU ratifizierten Genfer Flüchtlingskonvention, von einer sicheren Ankunft in Europa abgehalten werden, sind hier an der Tagesordnung. Zeitgleich kentern völlig überfüllte Schlauchboote immer wieder auf hoher See. Doch statt Fluchtrouten sicherer zu gestalten, werden diejenigen kriminalisiert und mit horrenden Strafgeldern belegt, die ihre moralische menschliche Pflicht erfüllen und Seenotrettung betreiben, statt abzuschieben. Diese Umstände sind Teil der Europäischen Union und ihrer Grundfesten. Einer Organisation, die sich im globalen Raum immer wieder als die Bewahrerin der Menschenrechte entwirft, während genau diese Rechte abertausenden von Menschen auf ihrer Flucht nach Europa versagt werden – und zwar von Institutionen wie der Grenzschutzagentur FRONTEX, die einen essentiellen Bestandteil der europäischen Grenzpolitik darstellt. Die „Seebrücke Wuppertal“ ist sich, wie eine Vielzahl von Wuppertaler*innen, einig, dass diese Zustände ein Ende haben müssen und neue erschaffen werden sollten, die Menschen ihre Rechte zugestehen und zeitgleich Fluchtursachen bekämpfen. Seenotrettung ist moralische Pflicht und kein krimineller Akt. Fluchtrouten müssen sicher gestaltet werden, weil sie ein Menschenrecht sind.
Auf der Steele steht: „Eltern setzen ihr Kind nur dann in ein Boot, wenn es auf dem Meer sicherer ist als auf dem Land.“
Warsan Shire, somalisch-britische Dichterin
Zahlreiche Redner*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen kamen im Rahmen der Einweihung zu Worte. Neben kulturellen Programm in Form eines iranischen Flötenspiels von Gholamreza Ghadi Bardeh aus Dortmund, eines Auftritt des Wuppertaler Menschenrechtechors, einer Tanz/Rap Kombi von Mammadou Bailo Diallo und Amadou Sadjou Diallo, einem kleinen Konzert der Band „Schmodders“ mit Rudi Rhode und Johannes Raschke, einem Poetry Slam der Spoken Wort Artistin Sabrin Mezari und einer Punkeinlage der Düsseldorfer Band „Nichts für Ungut“ wurden auch einige Reden gehalten. Waltraud Hummerich vom Kirchenkreis Wuppertal, Aharon Kasser von den Wuppertaler Weißen Herzen, Renate Schatz und Sonja Grabowsky von „Seebrücke Wuppertal“ machten auf vielerlei Weise auf das Unrecht an der europäischen Außengrenze aufmerksam. Schlussendlich bedankten sie sich auch bei den zahlreichen Beteiligten, die durch ihre Arbeit der Umsetzung des Mahnmals verholfen haben.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden außerdem Spenden für das „Interkulturelle Frauennetzwerk Sachsen-Anhalt (IFNIS) e.V.“ gesammelt. Die Organisation gründete 2021, nach der Machtübernahme der Taliban, zwei private Mädchenschulen in Kabul, Afghanistan. Während die Frauenrechte insbesondere im Bereich der Bildung durch die neuen Strukturen der Taliban enorm eingeschränkt wurden, unterrichten dort drei Lehrer*innen weiterhin ca. 85 Schüler*innen. Die gesammelten Spenden werden vor Ort für Miete und Gehälter aufgewendet. Darüber hinaus machte Sonja Grabowsky von der Seebrücke in ihrer Rede auf die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung aufmerksam und betonte, dass sich die „Seebrücke¡ Wuppertal mit der Crew der „Iuventa“ solidarisiere. An diesem Samstag wurde in Trapani, Sizilien darüber entschieden ob ein Hauptverfahren eröffnet wird, in dem der beteiligten 21-köpfigen Crew Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen wird. Über 14.000 gerettete Leben könnten hier mit 20 Jahren Haft und horrenden Geldsummen bestraft werden. Die „Seebrücke Wuppertal“ zeigt sich daher nicht nur solidarisch, sondern macht darüberhinaus deutlich wie wichtig der intersektionale und vielschichtige Kampf gegen Ungleichheit ist.
Durch die anhaltende Arbeit der vielen Aktivist*innen, die sich im Rahmen der „Seebrücke Wuppertal“ engagieren, ist im Quartier ein Ort entstanden, der gleichzeitig Raum für Information, Andacht und politischen Protest materialisiert. Als Quartier bedanken wir uns für dieses andauernde Engagement und hoffen gleichzeitig auf eine Zukunft, in der es eines Tages nicht mehr notwendig ist, weil Menschenrechte tatsächlich universell und unantastbar geworden sind und es nicht bloß propagiert wird. In diesem Sinne schließen wir uns erneut der „Seebrücke Wuppertal“ an: Leave no one behind – Solidarität kennt keine Grenzen! Falls ihr mehr über die „Seebrücke Wuppertal“ und ihre Arbeit erfahren wollt, findet ihr hier den Link zur Homepage [Link Seebrücke Wuppertal]. Im benachbarten „Café Hutmacher“ (Utopiastadt) liegt außerdem ein Buch aus, in dem Besucher*innen ihren Gedanken einen schriftlichen Ausdruck verleihen können.