Die Errichtung eines Gedenkorts | im Interview mit Annette Windgasse

Tagtäglich begeben sich Menschen aus verschiedensten Teilen der Welt auf die Flucht nach Europa. Eine Reise, die unzähligen Menschen durch das Nichts-Tun bzw. die Hinderung der Europäischen Union in den letzten Jahren in eine prekäre Situation brachte. Wie viele Menschen dabei tatsächlich umkommen, ist schwer zu erörtern. Fakt aber ist, dass tagtäglich Menschen auf ihrer Flucht ums Leben kommen. Dieser Fakt fand zeitweise großen Anklang in den europäischen Medien – ein fester Bestandteil der alltäglichen Berichterstattung ist er aber nicht. Verschiedenste Initiativen setzen sich deutschlandweit für die Schicksale der flüchtenden Personen ein und fordern im Sinne der Wertvorstellungen der Europäischen Union, sichere Wege nach Europa. So auch die Seebrücke Wuppertal. Im Rahmen ihrer Arbeit werden sie auf dem Vorplatz Utopiastadts im kommenden Jahr ein Mahnmal für die ertrunkenen Geflüchteten errichten. Wir durften einem Planungstreffen beiwohnen und haben anschließend ein Interview mit Annette Windgasse von der Seebrücke Wuppertal durchgeführt, um mehr über das Anliegen und das Mahnmal zu erfahren.

Erstes großes Planungstreffen für den Gedenkort der Seebrücke Wuppertal | Foto von Wolf Sondermann

Annette Windgasse ist Therapeutin für traumatisierte Geflüchtete und leitete das »Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf« (PSZ). Das PSZ stellt eine Anlaufstelle für Geflüchtete dar. Außerdem ist sie seit 1 1/2 Jahren Mitglied der Initiative Seebrücke Wuppertal. Eine Ortsgruppe der internationalen Organisation, die sich für sichere Häfen, Entkriminalisierung von Seenotrettung und sichere Fluchtrouten nach Europa einsetzt.

Im Rahmen der Arbeit der Initiative Seebrücke Wuppertal soll auf dem Vorplatz Utopiastadts ein Mahnmal für die Geflüchteten errichtet werden, die auf ihrem Weg nach Europa umgekommen sind. Damit macht die Initiative nicht nur auf die unzähligen Toten im Mittelmeer aufmerksam, sondern kritisiert außerdem die herrschenden Zustände im europäischen Grenzraum. Das Mahnmal soll ein Ort der Information, des Protests und des Gedenkens darstellen, der Raum für Andacht im öffentlichen Raum schafft, und an die Zustände auf dem Mittelmeer erinnern, die nach wie vor Menschenleben kosten und das Hochhalten europäischer Werte in einen abstrusen Kontext setzt.

Im Interview mit Annette Windgasse | Foto von Wolf Sondermann

Aus dem Boden wird ein eisernes Boot ragen, das sinnbildlich für die versunkenen Boote im Mittelmeer steht. Daneben eine Rettungswesten-orangene Stele die über die aktuelle Situation aufklärt und damit Fragen aufwirft. Ein versunkenes Boot, das sinnbildlich für die vielen Gräber steht, die in unerreichbarer Ferne liegen oder gar nicht erst errichtet werden konnten. Auf der Info-Stele wird zu einer Website weitergeleitet und der Name des Gedenkorts wird in mehreren Sprachen eingelassen. Bisher hat sich die Seebrücke Wuppertal noch nicht auf einem Namen einigen können und bittet um Unterstützung von Interessierten. Falls du also einen Namensvorschlag hast, dann schick ihn doch via Mail an die Initiative (gedenkort@seebrueckewtal.de). Während die Thematik rund um das Mittelmeer oftmals nur flüchtig in den Medien aufgegriffen wird, stellt das Mahnmal einen Ort der Manifestation der Thematik dar. Die Thematik wird Bestandteil des öffentlichen Lebens und damit politisch – ein Ort von Dauer. Das Mahnmal soll außerdem einen offenen belebten Ort darstellen.

Die Idee für die Gestaltung des Mahnmals stammt vom Wuppertaler Künstler und Bildhauer Bodo Berheide, der unter anderem auch die »figura magica« vor dem Pina-Bausch-Zentrum entwarf. Das Modell wurde von der Düsseldorfer Künstlerin Anne Mommertz entworfen, die auch den Trauerort für Geflüchtete in Düsseldorf entwarf.

Ein Modell des Gedenkorts | Foto von Wolf Sondermann

Im Rahmen der geplanten ersten Phase der Vorplatzsanierung soll der Grünstreifen am südlichen Ende des Vorplatzes samt der historischen Maueranlage saniert werden. In einem anschließenden Schritt (wahrscheinlich im Spätsommer 2021) wird am südwestlichen Rand des Grünstreifens das Mahnmal errichtet. Der Ort ist bewusst ausgewählt. Denn tagtäglich passieren Besucher*innen Utopiastadts und der Nordbahntrasse diesen Punkt. Das Mahnmal soll im Spätsommer 2021 im Rahmen einer großen Pflanzaktion mit lokalen Akteur*innen und Bürger*innen eröffnet werden. Darüber hinaus hofft die Initiative Seebrücke auf Unterstützung bei der Pflege und Instandsetzung des Mahnmals durch Anwohner*innen.

Durch seine Errichtung trägt das Mahnmal zu einer gewünschten Solidarisierung in der Gesellschaft bei, die insbesondere in der momentanen Situation von größtem Wert ist. Falls du mehr über die Arbeit der Initiative Seebrücke Wuppertal erfahren möchtest, findest du hier die Links zur Homepage und den Social Media Kanälen (Facebook). Außerdem erfährst du hier mehr über im Quartier ansässige Initiativen die sich für Geflüchtete im Quartier Mirke und der gesamten Nordstadt einsetzen (Flüchtlingshilfe Nordstadt | Hand in Hand – Kontaktpersonen für Geflüchtete e. V.).

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