DIE ALTE FEUERWACHE | IM INTERVIEW MIT JANA IHLE

Die Alte Feuerwache. Quasi unübersehbar liegt die ehemalige Feuerwache an der viel genutzten Außengrenze des Quartiers. Seit knapp 29 Jahren werden hier allerdings keine Brände mehr mit Wasser gelöscht. Stattdessen wurde die Alte Feuerwache seit 1991 zu einem internationalen Begegnungszentrum umfunktioniert, begleitet seitdem Kinder und Jugendliche aus dem Mirker Quartier und angrenzenden Gebieten in ihrem Aufwachsen und öffnet Raum für interkulturelle Begegnung. Wir wollten wissen was mit diesem Ankerpunkt vieler Quartiersbewohner*innen durch die vorherrschenden Maßnahmen geschehen ist. Inwiefern kann die Alte Feuerwache momentan zielgerichtet arbeiten und welche neuartigen Maßnahmen wurden entwickelt? Dafür haben wir uns an einem Mittwoch mit der pädagogischen Leiterin der Alten Feuerwache getroffen.

Jana Ihle vor der Alten Feuerwache | Foto von Wolf Sondermann

Jana Ihle ist Sozialpädagogin und systemische Beraterin. Seit circa 10 Jahren leitet sie die pädagogische Arbeit in der Alten Feuerwache und ist darüber hinaus auch in der Nachbarschaftsarbeit bzw. dem Organisationsteam des Forum:Mirke tätig.

Die Alte Feuerwache ist ein Raum der Begegnung und bietet darin Platz für verschiedenste Bereiche. Sie ist Ort für kulturelle und interkulturelle Veranstaltungen – neben Kulturveranstaltungen wie z. B. dem Talflimmern oder zahlreichen Lesungen und Konzerten nutzen auch circa 30 Migrantenselbstorganisationen die Infrastruktur der Alten Feuerwache zum interkulturellen Austausch und Bildungsraum. Vor allem aber ist sie ein Ort der pädagogischen Arbeit. In einem ausgearbeiteten und stark vernetzten Konzept begleitet die Alte Feuerwache Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien vom pränatalen bis hin zum jungen Erwachsenenalter. Dabei begleitet sie die Kinder und Jugendlichen durch ihre Biografie und steht unterstützend zur Seite. Ziele der pädagogischen Arbeit der Alten Feuerwache sind die Förderung von Selbstwirksamkeit und -organisation, das Erlernen der Fähigkeit der Gestaltung der eigenen Biografie und letztendlich das Ausbrechen aus sozial benachteiligten Strukturen. Der Kontakt mit gesellschaftlicher Armut ist der Alten Feuerwache immanent, und stellt die Basis ihrer Arbeit dar, bemerkt Jana Ihle.

Jana Ihle im Interview | Foto von Wolf Sondermann

Aber wie haben die Maßnahmen, mit Ziel der physischen Distanzierung, sich auf die Arbeit und das Wirken der Alten Feuerwache ausgeübt?
Die Arbeit der Alten Feuerwache basiert auf einer engen Bindung und Beziehung zwischen den Kindern und Jugendlichen und Pädagog*innen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen hat eine Beziehung sehr viel mit einer geringen physischen Distanz und einer Art von Zuwendung zu tun. Diese konnte durch die Regelungen nichtmehr eingegangenen werden. Stattdessen entwickelte das Team der Alten Feuerwache alternative Zuwendungsmöglichkeiten durch die Jugendliche auch weiterhin begleitet werden sollten. Gerade diese Krisenzeiten werden nämlich oftmals auf dem Rücken der Menschen geführt, die nicht gehört werden. Die Alte Feuerwache schafft eine Möglichkeit den Kindern und Jugendlichen ein Gehör zu verschaffen. Durch tägliche YouTube Videos, offene Chatrooms, teilweise tägliche Telefonate, das Verteilen von Spielzeug, die Versorgung mit Lernpaketen und einzelnen Spaziergängen begleiten sie die Kinder und Jugendlichen nach Möglichkeit. Das klappt teilweise sehr gut, ersetzt aber in keinster Art und Weise die notwendigen Möglichkeiten der Alten Feuerwache. Der volle Fokus der Arbeit lag daher in der Erarbeitung eines Konzepts zur gemäßigten Wiedereröffnung. Seit circa Anfang Mai läuft die Alte Feuerwache jetzt in einem gedeckelten Notbetrieb, der es zumindest einigen wenigen Kindern ermöglicht das Angebot der Alten Feuerwache in persona anzunehmen. Jana Ihle beobachtet, dass viele dieser Kinder und Jugendliche besonders unter den Regelungen litten. Die räumliche Isolation im Elternhaus, oftmals ohne eigene Zimmer, die Vermeidung von sozialen Kontakten, geschlossene Spielplätze und Schulen, und eine geschlossene Tafel führen in einigen Haushalten zu prekären Situationen für Kinder und Jugendliche. Vereinzelt wird dies durch desolate Erscheinungsbilder der Kinder und Jugendlichen bei ihrer Rückkehr deutlich.

die Alte Feuerwache | Foto von Wolf Sondermann

Diese Phänomene zeigen die essenzielle Stellung der Alten Feuerwache im Leben der Kinder und Jugendlichen des Quartiers. Sie beleuchten und zeigt die existentielle Armut vieler Quartiersbewohner*innen und Wuppertaler*innen auf, die im alltäglichen Leben vieler Anderer kaum vorstellbar ist. Im Gegensatz zu Maßnahmen vieler anderer Zweige, in denen Lösungen erarbeitet wurden, die auch in Zukunft ergänzend weitergenutzt werden können, sind die aktuellen Lösungen der Alten Feuerwache eher notwendiger Natur und bringen keine zusätzlichen Vorteile mit sich. Aber die geringe Anzahl der Kinder und Jugendlichen führt dazu, dass die momentanen Einzelgruppen wesentlich intensiver betreut werden können. Das zeigt auf, dass die Zukunft der Arbeit der Alten Feuerwache möglichst in noch exklusiveren und kleineren Gruppen stattfinden müsste. Die finanzielle Situation verunmöglicht dies jedoch. Alles in Allem verschärft sich die Situation vor den Maßnahmen durch die momentane Situation stark, und wirkt in einer bestehenden  Abwärtsbewegung sozialer Gruppierungen.

Bei solch schlechten Aussichten könnte man sich schnell fragen, woher Jana ihre Kraft nimmt, laufend gegen diesen Abwärtstrend anzukämpfen und nach Möglichkeit zu intervenieren. Jana entgegnet, dass sie sich noch nie in einer Situation wiederfand, in der sie den Sinn ihres beruflichen Tuns hinterfragte. Sie liebt ihren Job und trägt gerne für die Verbesserung von Lebenssituationen innerhalb der Gesellschaft bei. Dazu gehört auch die Arbeit in dem tollen und professionellen Team der Alten Feuerwache, dass voller Tatendrang etwas bewegt. Zugleich ist sie aber nicht desillusioniert. Der fortlaufenden Spaltung der Gesellschaft und der transgenerationale Vererbung von Armut, tritt die Alte Feuerwache mit kreativen Konzepten bzw. Ideen entgegen, dessen Ergebnisse wahrnehmbar sind. Neben den vielen negativen Erfahrungen und Erkenntnissen, die in der Arbeit der Alten Feuerwache gemacht werden, treten immer wieder auch positive Seiten und Erfahrungen zu Vorschein. So z. B. die Rückkehr Jugendlicher, als Praktikant*innen oder junge Erwachsene die rückblickend ihre positiven Erlebnisse mit der Alten Feuerwache teilen. Der Aufrechterhaltung bestehender unterstützender Strukturen kann insbesondere durch finanzielle Mittel geholfen werden. Momentan kämpft die Alte Feuerwache stetig um eine Aufrechterhaltung bestehender Maßnahmen und auch der Ausfall von verschiedensten Veranstaltungen/Vermietungen in den nächsten Monaten wird sehr wahrscheinlich zu weiteren finanziellen Schwierigkeiten führen.

Jana Ihle | Foto von Wolf Sondermann

Mit vergangenen Aktionen wie Wir feiern 25 Jahre Kinderarmut zum 25. jährigen Bestehen der Alten Feuerwache, rückt diese grundlegende soziale Realität in den Fokus, der oftmals nur wenig Beachtung geschenkt wird. Darüber hinaus arbeitet sie auch in Zeiten gegebener Maßnahmen, aktiv an einer Verbesserung von Schicksalen und Förderung von Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen in der Elberfelder Nordstadt. Eine Arbeit die wesentlich mehr Beachtung und Gehör bekommen sollte um einen gesamtgesellschaftlichen Wandel nachhaltig voranzutreiben. Wenn du mehr über die Arbeit und das Tun der Alten Feuerwache erfahren möchtest, dann schau doch hier auf der Homepage vorbei.

 

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